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Geschichte der Fastenwähe
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Fastenwähe - Geschichte der Fastenwähe

Eigenes Forschungsergebnis in Kurzfassung von Albert Spycher-Gautschi, Bündnerstr. 26, CH-4055 Basel. E-Mail: albispycher@bluewin.ch
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Die Geschichte der Fastenwähe führt ins 16. Jahrhundert zurück, als die Herren der Basler Safranzunft beim Aschermittwochsmahl, Klosterleute während der vorösterlichen Fastenzeit und Lateinschüler am St. Gregoriustag (12. März) „weÿen“ oder „weÿgen“ verzehrten. Anno 1554 war den Rheinfelder Bäckern vorgeschrieben, in welcher Geldwährung sie „Fastenwegenn“ verkaufen durften. In Basel wurden „Fastenweÿen“ erstmals bei einem Essen der Klostergutsverwalter zu St. Clara am 7. März 1649 aktenkundig. Da keine Beschreibungen vorhanden sind, ist anzunehmen, dass jene Gaben an die Schulknaben den Gregoriusbrezeln und die „Fastenweÿen“ den Fastenbrezeln anderer Gegenden des deutschsprachigen Raums entsprachen. Nach Auskunft von Sprachwissenschaftlern sind die unterschiedlich geschriebenen Begriffe gleichbedeutend als „weÿen“ zu lesen. Die Verwechslung mit „Wecken“ ist auszuschliessen.

Der Basler Gelehrte Johann Jakob Spreng schrieb um 1760 in sein „Idioticon Rauracum“, die „Fastenwaÿe“ oder „Waaie“ sei eine „ablängliche Fastenbretzel mit einem Kreuz in der Mitte“ und bezog sich auf das althochdeutsche „waehe“ im Sinn von etwas Zartem. Der Ausdruck „Wähe“ etwa für die Apfel- oder Zwiebelwähe wanderte erst später aus der oberelsässischen Mundart nach Basel, wo man solche Kuchen „Daarten“ (Torten) nannte. Das Rezept im Kochbuch der Valeria Huber von 1773, Milchbrot in Form einer Fastenwähe zu machen, bestätigt Sprengs Erklärung: „Der Teig wird gezogen bis er eine lange Schlangen ist, in der Mitte bleibt er dicker. Man legt ihn aufs Weÿenblech und umschlingt ihn zu einer Fastenweÿen“. Das Bäckergewerbe hinterliess nur karge Angaben über Zutaten und Herstellung der Fastenwähen. Immerhin ist bekannt, dass die Weissbäcker das Produkt als „Brotwaaie“ herstellten und sich wehrten, als Pastetenbäcker beabsichtigten, Spanischbrotteig (Blätterteig) zu verwenden. Die Weissbäcker mussten sich vor Weihnachten entscheiden, ob sie im folgenden Jahr Fastenwähen oder „Ankenwecken“ (Butterwecken) backen wollten. Beides zusammen war nicht erlaubt. Die Vorgesetzten der Brotbeckenzunft bestimmten an einem Stichtag anhand der aktuellen Getreide- und Butterpreise Teiggewicht sowie Stückpreis der Fastenwähen und begrenzten das Angebot auf die Zeit von der Herrenfastnacht an bis zur Osternacht. Selbst altbackene Fastenwähen mussten zum festgesetzten Preis verkauft werden. Das Herumtragen in Körben und Ausrufen in den Gassen war verboten. Gegen diese Vorschriften wurde trotz zahlreich verhängter Bussen häufig verstossen. Die Fastenwähe war keine Fastenspeise im kirchlich-religiösen Sinn, sondern ein traditionelles Luxusgebäck mit zunft- und gewerbepolitischem Hintergrund. In Notzeiten verbot der Rat von Basel die Herstellung von Fastenwähen und jeglichem „Ankenzeug“.

Mit dem Bevölkerungswachstum im 19. Jahrhundert wuchs der Bedarf an Backwaren stetig an. Zur rationellen Herstellung der Fastenwähen im Kleinbetrieb wurde ein handliches Abstecheisen, das „Faschtewaaie-Yseli“ konstruiert. Grossbäckereien begannen mit Stanzschablonen zu arbeiten. 1899 trat die im Jahr 1969 eingegangene Bretzel- und Zwiebackfabrik Christian Singer als erste Grossherstellerfirma auf den Plan. 1921 folgte die Bäckerei des Allgemeinen Consumvereins beider Basel (ACV, heute Coop), und seit 1949 fabriziert die Jowa AG Fastenwähen für die Migros-Genossenschaft. Die Produktionsziffern jeder dieser Grossbäckereien übersteigen jährlich die Millionengrenze und bilden eine ernsthafte Konkurrenz für die Klein- und Mittelbetriebe. Die Saison beginnt nach dem Dreikönigstag und endet bei rückläufiger Nachfrage kurz nach der Basler Fasnacht. Die Verbreitung der Basler Fastenwähe beschränkt sich auf die Stadt und ihre Umgebung bis in die Gegend von Frick, ins Laufental und die unmittelbare badische Nachbarschaft. Ein wenig bekannter Fastenwähenbrauch wanderte im 19. Jahrhundert vom Städtchen Kaiserstuhl in die Gegend von Waldshut und ins Zürcher Unterland. Die ältere Generation genoss das butterfreie Gebäck an den drei Fastnachts-Wochenenden zum Bier und hat es als Examenwecken in Erinnerung.

Quelle: Albert Spycher: Back es im Öfelin oder in der Tortenpfann (186. Neujahrsblatt der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige in Basel), Verlag Schwabe AG, Basel 2008).

Back es im Öfelin oder in der Tortenpfann.
Fladen, Kuchen, Fastenwähen und anderes Gebäck

2007. 159 Seiten mit 82 Abbildungen, davon 54 in Farbe. Broschiert.
Fr. 35.– / EUR 24.50
Schwabe Verlag Basel
ISBN 978-3-7965-2383-0

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