Glockenbeiern


Glockenbeiern - lautstarkes Brauchtum am Vorgebirge

Siehe auch Läuteordnungen und ihre Bedeutung

Das Beiern ist im Nordwesten Europas schon ein sehr alter Brauch. Im Rheinland reichen die ältesten Belege bis ins 14. Jahrhundert zurück. Der älteste Beleg für das Bammschlagen stammt von 1338 aus Aachen

Die erste urkundliche Erwähnung der Bemmschläger ist auf 1763 datiert.

Beiern ist eine besondere Form des Glockenspiels, die sehr viel Kraftarbeit und auch viel Gefühl verlangt.

Glockenturm der ehem. Pfarrkirche St. Sebastian Roisdorf - Klickmich zum vergrössern „Die Glocken spielen verrückt!“ – Besorgte und entsetzte Anrufe gingen zur Großkirmes 1998 und erneut am Weißen Sonntag des folgenden Jahres beim Roisdorfer Pfarrhaus ein, als von vom Glockenturm ein ungewohntes, aus merkwürdigen Rhythmen bzw. Tonfolgen bestehendes Geläute erschall.

Allerdings war die Sorge um die Glocken unbegründet, handelte es sich doch nicht um eine technische Fehlfunktion, sondern um das in unserer Heimat seit jeher gepflegte Glockenbeiern, das nach ca. 50-jähriger Pause erstmals wieder in Roisdorf zu hören war. Die hiesigen Heimatfreunde hatten sich darangemacht, den lautstarken Brauch wiederzubeleben, und ernteten dafür keineswegs nur Kritik, sondern auch manches ermunternde Lob.

Viele, insbesondere ältere Mitbürger wissen es: Unter „Beiern“ versteht man eine besonders festliche Art des Glockenläutens, mit dem man herausgehobene Festtage im Kirchenjahr ankündigt oder das zur feierlichen Untermalung von Prozessionen dient. Es werden dabei die Klöppel der in ihren Achsen blockierten Glocken kurz vor dem Glockenrand mit Seilen festgespannt und mittels komplizierter Seilzüge mit Hand und Fuß angeschlagen – dies nach althergebrachten Melodievorlagen oder in freier Improvisation. In manchen Kirchen mit besonders reicher Glockenausstattung kann auch der sogenannte Bamm geschlagen werden, d.h. eine große Glocke mit dunklem Ton schwingt durch, während auf den kleinen Glocken dazu ein schnellerer Rhythmus geschlagen wird.

Glockenbeiern mit Seilzügen - Klick mich zum Vergrössern Der Brauch des Glockenbeierns ist in weiten Teilen Europas verbreitet: Man findet ihn in Frankreich ebenso wie in Belgien und den Niederlanden, bis hinauf nach Skandinavien und dem Ostseeraum. Auch im westlichen und nördlichen Deutschland ist er anzutreffen – allerdings nicht in Bayern, obwohl dies der Name zunächst vermuten lassen könnte. Tatsächlich hat der Begriff „beiern“ nichts mit dem Voralpenraum zu tun, vielmehr leitet er sich, wie der Dersdorfer Heimatforscher und Beierexperte Horst Bursch herausgefunden hat, vom nordfranzösischen Wort „baier“ ab, das soviel wie „bellen“ bedeutet. Das Bellen, das „Anschlagen“ der Hunde ist seit jeher mit dem Läuten der Glocken verglichen worden, die ja ebenfalls angeschlagen werden. Nicht von ungefähr heißt Glocke im Englischen „bell“, spricht man hierzulande im Vorgebirge davon, dass die Hunde „logge“, wenn sie anschlagen.

Während in manchen Dörfern unserer Nachbarschaft der Brauch des Glockenbeierns stets lebendig geblieben ist, eine große Vielfalt unterschiedlicher Beiermelodien, den technischen Gegebenheiten und dem Geschick der Beierleute entsprechend, entwickelt wurde, geriet der Brauch bei uns in Roisdorf nach dem Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit. Vielleicht wollte man, als die für den Krieg eingezogenen Glocken der Pfarrkirche in Form eines neuen Stahlgeläuts zurückgekehrt waren, diese vor Beschädigungen schützen. Man wusste nämlich noch davon, dass ein Jahrhundert zuvor durch unsachgemäßes Beiern die Glocke im Türmchen der alten Sebastianuskapelle zersprungen und ein kostspieliger Neuguss notwendig geworden war: Halbwüchsige Burschen hatten, wie berichtet wird, so lange mit Steinen auf die Glocke eingeschlagen, bis diese nur noch einen „geborstenen Kesselton“ von sich gab, worauf die erschrockenen Beierleute Reißaus nahmen. Seither war das Beiern in Roisdorf schlecht angesehen, kam es zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeitweise ganz zum Erliegen.

Nach dem Zerbersten beim Beiern 1849 umgegossene Glocke der alten Roisdorfer St. Sebastianuskapelle, heute im Malteser-Seniorenheim in Rheinbach Nichtsdestoweniger kannte noch in den fünfziger Jahren manches Kind die alte Roisdorfer Beiermelodie und den dazugehörenden, den Rhythmus verdeutlichenden Spruch, bei dem es sich um eine Ortsneckerei der Bewohner der umliegenden Dörfer handelte:

„Die Roisdebe Löck,/
die hann jo Jeld,/
dat ös bekannt/
en de janze Welt/
vom Sandkroom,/
vom Sandkroom“.

Es wurde hierbei scherzhaft auf den bescheidenen Wohlstand angespielt, den sich die Roisdorfer „Sandgräber“ in den vergangenen Jahrhunderten durch den Handel („Kroom“) mit dem hier zu findenden feinen, weißen Quarzsands erwerben konnten. Die Roisdorfer freilich wussten mit entsprechenden Sprüchen zu kontern. So sang man zum Beispiel, wenn man die Alfterer Glocken beiern hörte:

„Dat Aleftere Volk,/
dat mäht jäen Olk/,
dat süff wie en Koh/
on friss dozo./
Dat schlau Volk,/
dat schlau Volk.“

Beiern der Heimatfreunde an Großkirmes - Klick mich zum vergrössern Das Glockenbeiern erfährt zur Zeit an vielen Orten eine erstaunliche Wiederbelebung, wie auch der rege Zuspruch zu den vom Erzbistum Köln organisierten Treffen der Beierleute erkennen ließ. Das Vorgebirge erwies sich beim ersten Treffen 1999 in Windeck-Dattenfeld als, wie die Bonner Rundschau berichtete, „Nummer 1“ beim Beiern, kamen aus der Stadt Bornheim doch gleich Beierleute aus fünf der elf Kirchengemeinden, in denen hier gebeiert wird. Auch die Roisdorfer Heimatfreunde waren dabei, die – angesichts der vergleichsweise großen und ungünstig gehängten Glocken im Roisdorfer Kirchturm mit einigen Anfangsschwierigkeiten kämpfend – sich von der Perfektion fortgeschrittenerer Beiergruppen beeindrucken ließen.

Geeignete Termine für das Glockenbeiern in Roisdorf sind neben Kirmes der Weiße Sonntag und das Fronleichnamsfest. Schön wäre es, wenn sich noch einige schwindelfreie und taktsichere junge Roisdorfer fänden, deren Mitarbeit ein regelmäßiges Beiern zu diesen Anlässen ermöglichen würde.

Lassen Sie sich also künftig nicht von den vermeintlich „verrückt spielenden“ Glocken erschrecken, sondern erfreuen Sie sich an dem traditionsreichen Geläute und sehen sie den eifrigen Beierleuten ihre vorläufige Unvollkommenheit nach!

Brenig mit der Pfarrkirche St. Evergislus - Klick mich zum vergrössern Übrigens ...
Das feierlichste Beiern im Vorgebirge kann man unbestritten in unserem Nachbarort Brenig erleben, wo regelmäßig auf den wertvollen alten Bronzeglocken der "Bamm geschlagen" wird.

Aus Anlass des 250-jährigen Jubiläums der Hl.-Geist-Glocke des Breniger Geläutes, die im Jahre 1754 von dem berühmtesten Glockengießer des Rheinlands, Martin Legros aus Dinant an der Maas, angefertigt wurde, soll in Brenig 2004 das nächste große Beierleutetreffen des Erzbistums Köln stattfinden.

Mit freundlicher Unterstützung der Heimatfreunde Roisdorf. e.V.
Verein für Geschichte und Brauchtum - Copyright by Heimatfreunde Roisdorf. e.V


http://www.brauchtumsseiten.de/a-z/g/glockenbeiern/home.html

Ein Service von www.brauchtumsseiten.de    -    info@brauchtumsseiten.de
ALLE RECHTE VORBEHALTEN / ALL RIGHTS RESERVED