Karwoche
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Karwoche  — 

Die Karwoche ist die Woche unmittelbar vor Ostern. Sie ist die Kernzeit der österlichen Passionszeit und für Christen die wichtigste Woche des Kirchenjahres.
Die Karwoche beginnt mit dem Palmsonntag. An diesem Tag werden - im Gedenken an Jesus Einzug in Jerusalem - feierliche Prozessionen veranstaltet und Palmen- oder Buchsbaumzweige der Christen gesegnet.
In der Karwoche liegen noch der Gründonnerstag der Karfreitag und der Karsamstag.

Die Karwoche von Rudolf Reichhardt, Pfarrer; aus dem Buch „Die deutschen Feste in Sitte und Brauch“, zweite Auflage von 1911
Den Abschluß der Fastenzeit bildet die letzte Woche vor Ostern, welche mit dem Palmsonntag beginnt und mit dem Osterheiligabend endet. Sie heißt die Kar-, stille, große oder Marterwoche. Das Wort chara bedeutet im Althochdeutschen Trauer, Klage und weist auf die Klage der Menschheit und ihrer Trauer um das Sterben des Erlösers hin. In katholischen Ländern ist jetzt zum Zeichen der Kirchentrauer das Läuten der Glocken verboten. „Sie gehen nach Rom“, heißt es, wenn am Mittwoch nach dem Palmsonntag, dem sogenannten „krummen“ Mittwoch, an welchem nach dem Evangelium die Richter Christum zum Tode verurteilten und so das Recht „krümmten“, die große Glocken zum letzten Male läuten.

Mit der Bezeichnung „stille Woche“ wollte man in trauernder Erinnerung durch äußere Ruhe und Stille den Tod des Heilandes auszeichnen. In alter Zeit war nicht bloß wie bei uns Tanz und Musik verboten, sondern alle gerichtlichen Handlungen, alle Gewerbe standen still, alle Wochenarbeit wurde eingestellt, so daß selbst die Dienstboten feierten.
Mit bedonderer Freigebigkeit teilte man in dieser Woche auch Almosen aus, ließ Gefangene los und übte auf alle Weise gegen andere Milde und Barmherzigkeit. Auch sinnige Volksanschauungen verbinden sich mit dem Ernste der Karwoche. Wenn, was nicht selten geschieht, in ihr Regen eintritt, so weint und trauert nach der Volksmeinung auch die Natur um den Tod des Erlösers. Wenn jemand in dieser Woche einen Meineid leistet, so wächst ihm nach dem Volksglauben die Hand aus dem Grabe als Dornenstrauch.

Die stille Woche wird eröffnet mit dem Palmsonntage oder Palmarum (d. i. dies palmarum, Tag der Palmen). Die Kirche feiert mit ihm das Andenken an den letzten feierlichen Einzug Jesu in Jerusalem, wobei das Volk Palmenzweige auf den Weg streute.

Heute noch findet sich in der römischen Kirche am Palmsonntag der Gebrauch der Palmweihe. Man weiht unter Besprengung mit Weihwasser, Anzündung von Räucherwerk und unter dem zeichen des Kreuzes grüne Palmzweige, die unter die Kirchgänger verteilt werden. In den Ländern, wo keine Palmzweige zu haben sind, z. B. in Süddeutschland, werden dafür die Zweige von anderen Bäumen geweiht, wie vom Buchsbaum oder der Stechpalme, oder von solchen Bäumen, welche sogenannte Kätzchen oder Lämmer haben, wie Weide, Haselnuß, Silberpappel u. a. So weit die geweihten Palmzweige in den Kirchen nicht an die Gläubigen verteilt werden, werden sie verbrannt, um aus ihnen die Asche zu gewinnen, die man am Aschermittwoch des nächsten Jahres den Büßenden auf das Haupt streut.

Im Breisgau und der Umgegend von Basel ziehen die Schulknaben des Dorfes schon am Montag vor dem Palmfest nachmittags scharenweise hinaus in die benachbarten Wälder und Berge, um Stechpalmenzweige zu holen. Findet man dabei einige Stechpalmenzweige mit roten Beeren, so ist die Freude groß, denn diese Beeren gelten für den schönsten Schmuck des Palmstrauches. Dann schneidet sich noch jeder Knabe ein Tannenbäumchen ab, an welchem der Palmstrauch gefestigt werden soll und alle kehren vergnügt nach Hause zurück, wo sie ihre grünen Schätze sorgsam im Keller aufbewahren, um sie frisch zu erhalten. Am Vorabend des Palmsonntages wird nun das Tannenbäumchen herausgeholt, von welchem der Hausvater geschickt die Rinde abschält und alle Zweige so weit abschneidet, dass nur oben eine kleine zierliche Krone übrig bleibt. Die Knaben haben unterdessen aus dem Garten Zweige von Buchsbaum oder Wacholder geholt. Sie werden über den Wipfeln des Tannenbäumchens nach innen gebogen und mit einem flatternden Seidenbande zusammengebunden. Ist der Palmbaum auf diese Weise fertig geworden, so nimmt ihn ein Knabe und richtet ihn vor dem Hause auf. Sobald die Glocken zur Kirche läuten, ergreift jeder Knabe seinen Baum und drängt sich zur Kirchentür hinein, um ihn am Chore aufzustellen. Hat dann der Pfarrer an den Stufen des Altars den Segen gesprochen, so besprengt er die Palmbäume mit Weihwasser. Hierauf findet ein Umgang um die Kirche statt, nach dessen Beendigung die Knaben ihre Palmen nach Hause tragen, um sie im Garten aufzustecken. Dort bleiben sie bis Ostern. Dann gilt es, dass es gelingt, sie zuerst ins Haus zu tragen, um das Ostergeschenk zu verdienen, welches aus einer Anzahl von Ostereiern besteht. Darum findet man schon früh am Ostermorgen keinen Palmbaum mehr in einem Garten des Dorfes, denn jedes bemüht sich, der erste zu sein, der ihn holt. Er wird in irgend einer Kammer aufbewahrt, um bei Gewittern einen Zweig von ihm auf dem Herd zu verbrennen.

In Belgien lässt man palmtakjens (Palmzacke) weihen. es sind dies kleine Buchsbaumzweige, die man nachher unter dem Dach befestigt, um das Haus vor Feuer zu schützen. In vielen Gegenden steckt man auch einen geweihten Zweig auf jedes Stück Land, um es vor Hagel zu bewahren und im Limburger Land ziert man die Gräber damit. Bei den Deutschböhmen müssen die Haselnusspalmen zur Verhütung alles Unheils in der Wohnstube, im Stalle und auf dem Fruchtboden zwischen den Balken, an der sächsischen Grenze als Blitzableiter unter alle Dächer gesteckt werden. Entsteht in Hessen eine Feuersbrunst, so wirft man geweihte Palmzweige in das Feuer, um es zu dämpfen. In Thüringen deutet Sonnenschein am Palmsonntag auf ein gutes Jahr. Um die Felder vor Hagelschlag und bösen Wettern zu hüten, steckte man ehedem lange Tannenstangen mit kleinen Fahnen, die bei Prozessionen von den Knaben getragen und vorher geweiht worden waren, auf die Ecken der Felder.

In früherer Zeit wurde der Einzug Christi in Jerusalem durch Palmeselprozessionen dargestellt. Von manchen Gelehrten wird behauptet, dass sie von den Eselsritten herzuleiten seien, die in Persien zur Feier des Frühlingsanfanges stattfanden. Bei den Palmprozessionen saß eine geschnitzte Figur, den Heiland darstellend, auf einem sogenannten Palmesel, welcher auf vier Rädern stand und herumgezogen wurde. Es wurden ihm sogenannte Palmzweige gestreut. Dazu sangen die Schüler: „Denn es steht geschrieben, ich werde die Hirten schlagen und die Schafe der Herde werden sich zerstreuen.“ Berühmte Palmeselprozessionen waren u. a. zu Antwerpen, Kempten und Heidelberg. In Antwerpen schritten dem Palmesel die zwölf Apostel voran, und der Darsteller des Heilandes musste nach einer Bestimmung aus dem Jahr 1487 immer ein eben aus Jerusalem zurückgekehrter Pilger sein. Bei der Heidelberger Prozession wurde die ganze biblische Geschichte, von Adam und Eva im Paradiese an bis zu dem Einzuge Christi in Jerusalem, der den Schluss des Zuges bildete, aufgeführt. Sie war etwa bis zur französischen Revolution ein berühmtes Volksfest des ganzen badischen Unterlandes. In der ehemaligen Reichsstadt Kempten war es jahrhundertelang am Palmsonntag Sitte, dass der Bürgermeister und rat, alle Zünfte und Gewerbe und die ganze Gemeinde beiderlei Geschlechts mit brennenden Wachskerzen ins fürstliche Stift hinaus zogen, um von hier aus den aufgestellten Palmesel in die Kirche zu führen. Besonders beliebt war der Palmesel natürlich bei den Kindern, für die sein alljährliches Erscheinen ein Hauptfest war. An einigen Orten brachten sie ihm ein Bündelein Heu und diejenigen unter ihnen, die am Palmsonntage ihre ersten Höschen trugen, durften auf dem Esel reiten, was man für das Gedeihen der Kinder besonders heilsam hielt. Die letzte uns bekannte Palmeselprozession fand noch im Jahr 1802 zu schwäbisch Gmünd statt. Behängt mit Silber und geschmückt mit Blumen wurde das Christusbild auf dem ebenfalls mit Gold- und silbergestickter Decke behangenen Esel in Begleitung des Magistrats und der gesamten Geistlichkeit in die dortige Spitalkirche geführt und ebenso feierlich von dort wieder abgeholt. Heute noch in Süddeutschland sehr gebräuchlich sind die Redensarten: „Er kommt so selten wie ein Palmesel“ und „ Geputzt wie ein Palmesel acht Tage vor Ostern“

In einem großen Teil des protestantischen Deutschlands findet am Palmsonntag die Einsegnung der Konfirmanden oder die Konfirmation statt. Sie ist erst im 18. Jahrhundert allgemein eingeführt worden und wurde früher am Sonntage nach Ostern, Quasimodogeniti, dem weißen Sonntage (dominica in albis) gefeiert, wie dies noch heute in manchen Gegenden Sitte ist. dabei sind manche festliche Bräuche im Schwange. Die zu konfirmierenden Mädchen erscheinen mit einem Kranze im Haar, die Knaben mit einem Strauße künstlicher Blumen am rechten Arme oder auf der Brust. In einigen Gegenden am Südharz tragen sie den Strauß mit bunter Seidenbandschleife, deren Enden bis auf die Erde reichen, an der Mütze. Dem Pfarrer und Lehrer werden zumeist Rosmarinstengel, auch Myrtenreiser und Zitronen angebracht. das Pfarr- und Schulhaus, die Kirchentür und das Innere der Kirche bekränzte man mit Girlanden. Vor den Häusern der Konfirmanden und Konfirmandinen stehen junge Tannen, die Türen sind mit Mooskränzen geschmückt, von Haus zu Haus ist weißer sand gestreut. Am Nachmittage vergnügen sich die Konfirmanden mit Spielen im Freien oder besuchen sich gegenseitig. In Bucholt im Münsterlande wird der Palmstock gesucht. Er besteht in einem jungen Kiefernbaum, dessen Rinde entfernt, dessen Krone aber stehen gelassen ist. An die Enden der einzelnen Zweige werden „Palmvögelchen“, d. h. kleine auch Kuchenteig geformte Vogelgestalten gehängt, während die Spitze mit einer großen Brezel, dem „Krekeling“, mit einem Apfel oder einer Apfelsine gekrönt werden. Ketten von gebackenem Obst oder Zuckerwerk vervollständigen die Ausstattung des Palmstockes. Die Kinder müssen am Palmsonntage den in irgend einem Winkel des Hauses versteckten Palmstock suchen. ist er gefunden, so wird er im Triumphe auf die Straße getragen. dann wird der Schmuck des Palmstockes zu Hause verzehrt.

Noch fällt auf dem Palmsonntag ein in Thüringen und der Altmark verbreiteter Brauch, der nichts mit der kirchlichen Feier zu tun hat. Die im letzten Jahre verheirateten Ehepaare hängen an Stöcken aus den Fenstern ihrer Wohnung Bälle und Nadelkissen aus, welche an Fäden befestigt sind. nach den Bällen springen Burschen, nach den Kissen die Mädchen. In früheren Zeiten wurden beim Einholen der „Brautbälle“ am Palmsonntag besondere Lieder gesungen, deren eines lautete:

Grüne Laub, grüne Staub, grüne überalle,
Diesen Sommer, diesen Winter tragen wir die Balle,
Einen ball, groß und breit, mit seidnem Unterkleid.
Mit goldnen Spitzen, oben aus,
Schöner Bräut`gam, schöne Braut,
Gebt einen schönen Ball heraus.

In der Altmark singt das junge Volk beim Einholen der Bälle:

Hie sind wi Junfern alle,
Wi sing`n een Brutballe!
Will uns de Brut den Ball nicht gewen,
So willn wi er den Mann ok nehmen!
Eier Mann, Eier ja,
R. R. mit sine junge Brut,
So grot as een Zipoll (Zwiebel),
Den soll`n ji woll behollen (behalten).

Der fünfte Tag der stillen Woche heißt Gründonnerstag
Ausführliche Bräuche und Sitten über den Gründonnerstag gibt es hier auf den Brauchtumsseiten unter Gründonnerstag

Der hervorragenste Tag der Karwoche ist der Karfreitag
Ausführliche Bräuche und Sitten über den Karfreitag gibt es hier auf den Brauchtumsseiten unter Karfreitag

Dann kommt der Karsamstag
Ausführliche Bräuche und Sitten über den Karsamstag gibt es hier auf den Brauchtumsseiten unter Karsamstag

Quelle:
Die deutschen Feste in Sitte und Brauch von Rudolf Reichhardt, Pfarrer; zweite Auflage von 1911


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