Beispiel: Perchtenlauf
Im Alpenraum gibt es Hinweise auf die vorchristliche Verehrung von drei Frauen –
bzw. vielmehr wohl drei Göttinnen: Ambeth, Wilbeth und Borbeth. Diese werden auch
die drei Bethen genannt. Hierbei handelte es sich wohl um eine dreifaltige Erdgöttin.
In der gleichen Region sind ab dem Mittelalter die drei christlichen Heiligen
Katharina, Barbara und Margret als die heiligen drei Madeln bekannt und genießen
höchste Verehrung. Die Heiligen sind Schutzheilige mit einer Martyrergeschichte,
deren Leben aber nicht nachgewiesen werden kann und höchst unwahrscheinlich ist.
Vermutlich ging das Brauchtum und die Anbetung der drei Bethen auf die drei
christlichen Heiligen über, sie sind sozusagen damit identisch mit den Göttinnen. Da
es in einigen oberbayrischen Regionen das inzwischen fast erloschene Brauchtum
gibt, dass drei Frauen am 6.Januar umherziehen, die dort als Berchten bezeichnet
wurden, gibt das Anlass zu der Vermutung, dass auch der christliche Volksbrauch
der heiligen Drei Könige eine direkte Übernahme eines älteren Brauches sein
könnte. Viele gehen davon aus, dass zu Ehren der drei Bethen eine Prozession mit
drei Frauengestalten an der Spitze stattfand, die dann mit der Christinasierung
geringfügig abgewandelt wurde – in dem sie den heiligen drei Königen geweiht
wurde. Der Brauch des Kreidezeichens und des Haussegens wird auch von
Vertretern der katholischen Kirche heute als basierend auf einem heidnischen
Schutzzauber angesehen, die Buchstaben C B M (für Christus segne dieses Haus)
sind auch die drei Anfangsbuchstaben der drei heiligen Madeln Kenaz, Berkana und
Ehwaz (Katharina, Margarethe, Barbara). Der heute Dreikönigsumzug entspricht
einer älteren Tradition und ist vermutlich der Bethen-Umzug oder eben vielleicht auch
identisch mit dem Berchtenlauf.
In uralter Zeit war das Auftreten der Perchten, dieser menschlichen Projektion
übermenschlicher Mächte, etwas sehr Ernstes und Wichtiges: Vermummte
Menschen konnten sich nicht nur vor ihresgleichen verbergen, sondern auch vor
Geistern, konnten sie mit grauenhaften Fratzen und wildem Fell, mit Schellenlärm
und Höllengetöse abwehren. So ließen sich das Böse bannen, Ängste bewältigen,
Alpträume verarbeiten. Rauhnächte sind also eine Reise ins Unterbewusste, ein
Spiegel der Seele.
Die Rauhnächte reichen bis in die Antike zurück und haben sowohl römische als
auch germanische Wurzeln. selbst in den indogermanischen Gesellschaften wie
Japan, China und vielen anderen Kulturen finden sich diese Mythen. Zu dieser Zeit
suchen die Seelen der Toten die Lebenden auf. die Rauhnächte sind eine Zeit der
Wiederkehr der Seelen und des Erscheinens von Geistern.
Dieser Brauch, dessen Verbreitungsgebiet im deutschsprachigen Raum sich von der
Schweiz bis Böhmen, von Südtirol bis zur Oberpfalz erhalten hat, findet sich ebenso
im Kaukasus, in den Pyrenäen oder den Abruzzen.
In der finstersten Zeit des Jahres, begleitet von Kälte und Sturm, dachten sich unsere
Ahnen die Welt von Unholden und Hexen beherrscht, die von Haus zu Haus
schlichen, um Unheil zu stiften. Das erinnert an die germanische Mythologie, in der
Gott Wotan auf einem Schimmel zur Walstatt reitet, gefolgt von Kriegern,
Schlachtjungfrauen, begleitet von Wölfen, Hunden und fürchterlichem Brausen. Das
ist sie, die Wilde Jagd. Noch grausiger als die Wilde Jagd, noch schrecklicher als das
fürchterliche Treiben am Nachthimmel - in diesem Bestreben entwickelten sich die
furchteinflössenden Masken der Perchtenläufer in den Rauhnächten, denen man im
Voralpenland wie in den tiefsten Bergdörfern noch immer begegnen kann und denen
selbst die christliche Religion nicht den Garaus machen konnte, sie allenfalls
überlagert hat. Der Höhepunkt dieser Perchtenläufe ist nach heutigem Kalender der
5. Januar. Dieser Tag wird auch der „Öberschst“ (Der Oberste) genannt. Dies dürfte
damit zusammen hängen, das Orion seinen Höchststand erreicht. Dieses Sternbild
wurde von den antiken Griechen mit dem Großen Jäger Orion identifiziert. Es wird
auch die Vermutung geäußert, der Name leite sich vom Akkadischen Uruanna,
»Licht des Himmels«, ab und sei später von den Griechen übernommen
worden. Die Germanen erkannten in dem Sternbild einen Pflug, die Wikinger wollten
den Gott Thor erkennen, der den Gott Loki am Gürtel hängend über einen Fluss
trägt. Jedenfalls könnte darauf noch der Brauch verweisen, in dieser Nacht nach den
"drei Sternen" auszuschauen. Wie üblich wird aus Geschichte Legende und dann
Mythos.
Am Vorabend zum "Öberschten" zogen die "schiachen (hässlichen) Perchten" durch
Dorf und Flur. Ursprünglich handelte es sich dabei um zwölf Burschen, die in dunkle
Felle und Vermummungen gekleidet waren und kunstvoll geschnittene Holzmasken
trugen. Eine Anzahl vermummter Gestalten folgte ihnen im geisterhaft flackernden
Licht von Fackeln und Windlichtern, während Trommeln und Kuhglocken dröhnten
und Peitschen knallten. Offensichtlich versinnbildlichte das Perchtenlaufen das ewige
Naturgeschehen der Ablösung des alten Jahres durch das neue, zumal anderntags
die "schönen Perchten", im Gefolge häufig die gefesselten "schiachen Perchten" der
vergangenen Nacht, durch die Dörfer zogen. Der Name Percht ist mindestens seit
dem 8. Jahrhundert bekannt.
Inhalte mit freundlicher Erlaubnis von
Prof. Manfred G. Dinnes
ATELIER & GALERIE
St. Johann
D - 93 102 Pfatter
Web: http://www.dinnes.net
Hinweis:
Ich möchte ihnen die Theatercompanie „Rauhnacht“ vorstellen.
Diese Inszenierung der „Rauhnacht“ ist dem großen Oberpfälzer Volkskundler Franz Xaver von Schönwerth gewidmet, dessen 200. Geburtstag 2010 gefeiert wird.
Mehr über die Theatercompanie finden sie auf der Seite
www.theatercompanie.eu/
der „Theatercompanie“
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