Rheingold - von Goldwäschern und einer Undine -
von Albert Spycher-Gautschi

Rheingold - von Goldwäschern und einer Undine
von Albert Spycher-Gautschi

Bild 1 - Umschlagbild Rheingold - Luxuszug durch fünf Jahrzehnte, Düsseldorf 1971. Auf das Rheingold angesprochen, fällt mancheinem eine Sektmarke ein oder der legendäre "Rheingold-Express", dessen Nachbildung bei MÄRKLIN die Herzen der Eisenbahnfreunde höher schlagen lässt (Bild 1).
Andere wieder zitieren die "Rheintöchter" aus Richard Wagners Rheingold-Oper im Ring des Nibelungen:
"Rheingold! Rheingold! Reines Gold! O leuchtete noch in der Tiefe dein lautrer Tand! Traulich und treu ist's nur in der Tiefe: falsch und feig ist, was dort oben sich freut." Nachdem im 1. vorchristlichen Jahrhundert der griechische Philosoph Poseidonios "Goldsand führende Flüsse bei den Helvetiern und Kelten" erwähnt hatte, bezeichnete sein Landsmann und Dichter Nonnos von Panopolis im 5. Jahrhundert den Rhein als goldführendes Gewässer. Bild 1  -  Der Altrhein unterhalb der Kembser Schleusen. Noch präziser verlautet das Evangelienbuch des Mönchs Otfried von Weissenburg in südrhein-fränkischer Mundart: "Ioh lesent thar in lante gold in iro sante" - auch lesen sie dort Gold in ihrem Sand. Die Sande, aus denen auch heute noch Rheingold gewaschen werden kann, sind in den von eiszeitlichen Gletschern aus den Schweizer Alpen, den Vogesen und Schwarzwald ins Oberrheingebiet verfrachteten Geröllmassen eingelagert. Hier, am Übergang zwischen dem unberechenbaren Rheinlauf und Kulturland, lagen die "Goldgründe" oder "Goldwaiden" der Bauern und Fischer, die das Goldwaschen zumeist als Nebenerwerb ausübten (Bild 2).

Bild 3  -  Rheingold am Altrhein bei Efringen-Kirchen auf Millimeter-Papier fotografiert. Das Gold zeigt sich in 0,5-3mm grossen "Flitterchen" mit körniger Oberfläche und deren Gewicht im einstelligen Tausendstelmilligramm-Bereich liegt. Dem Gesetz der Schwerkraft folgend, schwemmte der Fluss leichte Goldpartikelchen vom Raum Karlsruhe bis nach Speyer hinunter, während die schwereren am Oberrhein liegen blieben. Hier fallen ungefähr 20.000 Flitterchen auf 1 Gramm Gold, von Karlsruhe rheinabwärts an die 200.000 (Bild 3). Das vom Verfasser dieser Arbeit am Altrhein bei Efringen-Kirchen und unterhalb der Kembser Schleusen erwaschene Gold enthält laut Analysen von Dr. Andreas Burkhardt (Institut für zerstörungsfreie Analytik und Archäometrie in Basel) 97,3% Gold, 2,42% Silber, 0,15% Eisen (Pyrit), 0,01% Nickel, 0,01% Zinn sowie Spuren von Kupfer (Bild 4).

Bild 4  -  Waschkonzentrat unter dem Mikroskop: Goldflitterchen mit abgerollten Granaten, Pyrit, Magnetit, Zirkon, Epidot, Glas und anderem Zivilisationsschutt. Wenn abklingende Hochwasser aus der Uferzone herausgeschwemmte Kiesbänke oder "Goldgriene" freigaben, suchte das geübte Auge des Goldwäschers nach den dunklen Schwermineral- oder Magneteisensanden am "Kopf und am Schwanz" eines goldhöffigen Griens. An diesen Stellen brachte er eine Schaufel Kies und Sand dicht unter der Wasseroberfläche in horizontale Kreisbewegungen, um das leichtere Material fortzuspülen. Je nach Anzahl Goldflitterchen, die sich bei dieser Waschprobe zeigten, konnte der mögliche Tagesverdienst abgeschätzt werden (Bild 5). Bild 5  -  Elsässer Goldwäscher. Illustration aus Grad, Charles: L'Alsace, Paris 1899. Der Karlsruher Professor Sander schrieb um 1780 hiezu:
"Die Einrichtung, den Goldstaub zu gewinnen, ist sehr einfach. Man hat ein kleines Gerüste von Holz, das eine schiefliegende Fläche vorstellt. Hinten, wo der Kerl die Schaufel voll Sand und Steine aufwirft, ist es etliche Schuh erhöht (...) Der grösste Teil wird mit einem wollenen Tuch bedeckt. Oben, wo der Arbeiter steht, liegt über dem Gerüste ein hölzernes Gitter. Auf dieses schaufelt nun der Goldwäscher Kies und Sand und übergiesst jede Ladung gleich mit Wasser (...) Die Arbeit geht so fort, bis der Arbeiter siehet, dass das Tuch stark mit Sand bedeckt ist. Bild 6  -  Rheingold-Dukat des Pfalzgrafen Karl Theodor (1722-1799), Historisches Musem Basel. Illustration aus Sprachwelt 8, Schroedel 1987. Dann wird es in einem hölzernen Gefässe mit Rheinwasser ausgewaschen. Dadurch fällt der feine Sand mit dem darin befindlichen Gold zu Boden. Dieser schwärzliche Sand vermischt man mit Quecksilber, so amalgamiert sich dieses mit dem Golde. Um das Quecksilber vom Gold zu trennen, nimmt man eine Destillation vor. Das Quecksilber gehet über, das Gold bleibt zurück, wird vom Aufseher gesammlet, auf die fürstliche Apotheke geliefert, gewogen, geschmolzen und zu beliebigem Gebrauch aufgehoben. Man kennt die Dukaten "Ex sabulis Rheni" [aus den Sanden des Rheins] die so schön sind, dass man sie in Cabineter sammlet" (Bild 6).

Bild 7  -  Schreibsand mit Goldpartikelchen aus Akten der Basler Weinleutenzunft (1613-1649) Staatsarchiv Basel-Stadt. Im Prinzip durfte jedermann "golden", doch unterlag dieses Gewerbe beidseits des Stroms bis ins Mittelalter zurückreichenden Regalrechten. Um Betrügereien zu erschweren, musste manchenorts mit der Goldausbeute auch der erwaschene Schwermineralsand den amtlichen Annahmestellen abgeliefert werden. Dieser liess sich als Schreibsand an Kanzleien verkaufen. In Basler Archivakten fanden sich Spuren, die den typischen Mineralbestand des Rheinsands samt einigen Goldpartikelchen enthielten (Bild 7). Nach Ermittlungen von Werner Störk veranschlagte man die offiziellen Golderträge am badischen Oberrhein von 1784 bis 1874 mit insgesamt 366 Kilogramm Gold. Zufolge blühenden Schwarzmarkts dürften diese aber höher ausgefallen sein. Es gab magere Zeiten, in denen vorwiegend Schreibsand gewonnen wurde. Hauptursache für den Niedergang der Goldwäscherei war die zwischen 1842 und 1876 erfolgte Tulla'sche Rheinkorrektion.

Bild 8  -  „Basel und das Gold am Oberrhein”, im Antiquariatshandel erhältlich. Der Schreibende erlernte das Goldwaschen in den 1960er Jahren von Praktikern und im Kontakt mit Naturwissenschaftern. Prof. Franz Kirchheimer (1911-1984), ehemaliger Päsident des Geologischen Landesamtes Baden-Wüttemberg, beriet den Verfasser beim 1983 erschienen Buch "Rheingold - Basel und das Gold am Oberrhein" (Bild 8). 1987 fand diese Arbeit Niederschlag beim Schulbuchverlag Schroedel (siehe Literaturverzeichnis). Im selben Jahr zeigte das Basler Klingentalmuseum die Projekt-Ausstellung "Rheingold" mit einer Schulklasse (Bild 9). Die als Wanderausstellung konzipierte Schau wurde später vom finnischen Goldmuseum in Tankavaara übernommen. Heute erinnern gelegentliche Spaziergänge an die vielen Stunden Arbeit mit Pickel, Schaufel, Schleuse, Waschpfanne und an das Glücksgefühl, wenn sich nach dem Reduzieren des Waschkonzentrats eine ansehnliche Zahl Goldflitterchen auf dem blauen Pfannenboden abhoben - der "Sternenhimmel" des Goldwäschers. Und wenn sich an späten Herbstnachmittagen ein Reiher als einziger Kumpan davonmachte und Nebelschwaden aufzogen, verwandelte sich die Rheinlandschaft gleichsam ins Bühnenbild der Wagner'schen Rheingold-Oper mit ihren Rheintöchtern und erinnerte an die oberelsässische Sage um einen jungfräulichenen Wassergeist, auch Nixe oder Undine genannt (Bild 10).

Bild 9  -  Projektartiges Lernen: Schüler spülen Schwermineralsand aus der mit einer gerippten Gummimatte ausgelegten Waschrinne. "Der Goldwäscher und die Undine.
(Leicht bearbeitet) Auf einer der Rheininseln wohnte ein armer Goldwäscher, der sein Leben mit Müh und Kümmernis fristete. Früher arbeitete er als Bauer; aber als er alt geworden, hatte ihn sein Gebieter entlassen. Und so suchte er nun im Rheinsand Goldkörner und verdiente mit Ach und Weh sein Leben. Frau und Kinder waren schon lange tot. Ein Knabe war in den Dienst eines Schiffsbesitzers getreten, und der alte Mann hörte nie mehr etwas von ihm. Trotzdem hoffte er auf ein Wiedersehen und hielt, wenn er am Ufer arbeitete, Ausschau nach dem Schiff und seinem Sohn. Die Jahre kamen und gingen, der Mann wurde zum Greis, und immer geringer wurde der Verdienst.
Bild 10  -  Goldwäscher und Undine. Illustration aus „Die Sagen des Elsasses”, 2. Teil. In einer stürmischen Nacht warf der Rhein Sand ans Ufer. Der Alte stand auf und nahm sich vor, diesen am folgenden Tag zu bergen. Doch da sah er im Schein der Laterne zahlreiche Fische. 'Von denen fängst du einige', dachte er für sich, warf ein Netz aus, zog und zog, doch ans Land brachte er sie nicht. Schon meinte er einen schweren Hecht oder Salmen gefangen zu haben, als er ein Stimm Mann. Doch die Undine jammerte, bis dieser nachgab und sie befreite. 'Sei bedankt', sprach sie, 'es wird dir Glückbringen!' und verschwand.
Am andern Morgen fand der Alte Goldkörner in nie gesehener Zahl. Und als er sie in die Stadt trug, löste er dafür ein schönes Stück Geld. Wie staunte er, als er am Abend in seine Hütte zurückkehrte. Sie war beleuchtet, und auf dem Tisch stand ein wohlbereitetes Mahl. Er ahnte, wer es gewesen, ging an den Strom und rief seinen Dank an die Undine in die Fluten hinab. Bald darauf sah er die Undine wieder. 'Fürchte dich nicht', sagte sie zu ihm, 'belohnt ward schon deine Tat. Aber noch wartet deiner eine grössere Freude: Dein Sohn kehrt morgen wieder, mit Frau und Kind wird er bei dir bleiben bis an deines Lebens letzte Tage'. Dann tauchte die Undine wieder unter. Und wie sie versprochen, geschah es auch. Dem Goldwäscher ward ein sorgenloser Lebensabend inmitten seiner Lieben beschieden."

    Bildlegenden
  1. Umschlagbild "Rheingold - Luxuszug durch fünf Jahrzehnte, Düsseldorf 1971.
  2. Der Altrhein unterhalb der Kembser Schleusen.
  3. Rheingold am Altrhein bei Efringen-Kirchen auf Millimeter-Papier fotografiert.
  4. Waschkonzentrat unter dem Mikroskop: Goldflitterchen mit abgerollten Granaten, Pyrit, Magnetit, Zirkon, Epidot, Glas und anderem Zivilisationsschutt.
  5. Elsässer Goldwäscher. Illustration aus Grad, Charles: L'Alsace, Paris 1899.
  6. Rheingold-Dukat des Pfalzgrafen Karl Theodor (1722-1799), Historisches Musem Basel. Illustration aus Sprachwelt 8, Schroedel 1987.
  7. Schreibsand mit Goldpartikelchen aus Akten der Basler Weinleutenzunft (1613-1649) Staatsarchiv Basel-Stadt.
  8. "Basel und das Gold am Oberrhein", im Antiquariatshandel erhältlich.
  9. Projektartiges Lernen: Schüler spülen Schwermineralsand aus der mit einer gerippten Gummimatte ausgelegten Waschrinne.
  10. Goldwäscher und Undine. Illustration aus "Die Sagen des Elsasses", 2. Teil.

    Bild 7: Aufnahme Ralf Milke; übrige Aufnahmen und Reproduktionen vom Verfasser.
    Verwendete Literatur:
  • Albiez, Gustav: Neue Untersuchungen über das Vorkommen von Rheingold, in: Berichte der naturforschenden Gesellschaft Freiburg i.Br. 41(1951).
  • Daubrée M.: Mémoire sur la distribution de l'or dans la plaine du Rhin et sur l'extraction de ce métal, in: Annales des Mines, 4me série, T. X, Paris 1846.
  • Ernst, Friedhelm: Rheingold - Luxuszug durch fünf Jahrhunderte, Düsseldorf 1971.
  • Kirchheimer, Franz: Über das Rheingold, in: Geologisches Landesamt Baden-Württemberg, Nr. 7, S. 55-85, 1.7.1965
  • Derselbe: Erläuterter Katalog der deutschen Flussgold-Gepräge, Freiburg i.Br 1972.
  • Lepper, Carl: Die Goldwäscherei am Rhein, Heppenheim 1980.
  • Milke, Ralf und Spycher, Albert: Naturwissenschaftliche und kulturgeschichtliche Untersuchungen an Schreibsanden in Basler Archivakten, in: Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaften beider Basel 8(2005).
  • Sander, Prof.: Von der Goldwäsche am Rheine, in: Der Naturforscher, 14. Stuck, Halle 1780.
  • Sprachwelt 8, Sprachbuch für Realschulen N, Schroedel-Schulbuchverlag Hannover 1987.
  • Spycher, Albert: Rheingold, Basel und das Gold am Oberrhein, Basel 1983.
  • Derselbe: Die Goldwäscher am Oberrhein - Les orpailleurs de Haute-Alsace, in: Annuaire de la Société d'histoire du Sundgau 2011.
  • Stintzi, Paul: Die Sagen des Elsasses, 2. Teil, Colmar 1929.
  • Störk, Werner: Auf den Spuren der historischen Goldwäscher am Oberrhein, in: Das Markgräflerland 2000.

Mit freundlicher Unterstützung von Albert Spycher-Gautschi
Titel: Rheingold - von Goldwäschern und einer Undine
Autor: Albert Spycher-Gautschi
Copyright: © by Albert Spycher-Gautschi
Bilder: Albert Spycher-Gautschi
gepostet von Albert Spycher-Gautschi am:
Date: 23.07.2012 18:15


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