Richtfest, Richtbaum -
Beim Neubau eines Hauses, sobald der Rohbau steht und die Zimmerleute das Dach fertiggestellt –in der Fachsprache den Dachstuhl „abgebunden“ und dann „aufgerichtet“– haben, befestigen diese eine junge Fichte –geschmückt mit bunten Bändern– an jenem Dachgiebel, der zur Straße zeigt, bzw. der am Besten zu sehen ist.
Es ist dies der erste große Bauabschnitt und soll stolz zeigen, daß das Haus nun unter „Dach und Fach“ ist, es nicht mehr hineinregnet!
Je nach dem wird vom Zimmermeister auch ein Richtspruch gesprochen und dabei ein mit Sekt gefülltes Glas auf dem Dach zerschmettert, was Glück bringen soll.
Mancherorts ist es auch der Brauch, daß eine Aufrichtmesse, also ein Dankgottesdienst in der Kirche gefeiert wird, denn gerade die Aufbringung der Dachbalken ist eine der schwersten und gefährlichsten Arbeiten am Bau.
Somit gehört sich für den Bauherren –anschließend an die Fertigstellung des Daches– die Ausrichtung eines Richtfestes, wo es bei Speis` und Trank recht fröhlich und auch oftmals mehr oder weniger „feuchtfröhlich“ zugeht!
Eingeladen sind hierzu natürlich die Zimmerleute und auch die Maurer, denn auch sie helfen, den Dachstuhl aufzurichten, waren besonders zu jener Zeit wichtige Helfer, wo es noch keine Baukräne gab, oder diese nur für Großbauten eingesetzt wurden.
Es soll aber da und dort auch geizige Bauherren gegeben haben, die ein Richtfest verweigerten.
Denen haben dann die Maurer aus Rache eine leere Bierflasche (den Flaschenhals nach außen gerichtet) an der Windseite irgendwo unter dem Giebel eingemauert, und dabei beim Aufbringen des Putzes darauf geachtet, daß eine kleine unauffällige Öffnung in die Flasche bestehen bleibt. Bei Wind gibt das dann ein „nerventötendes“ Geheule, das durchs ganze Haus zu hören ist, und so gut wie nicht gefunden wird. Nur die Maurer wußten, wo und wie dieses Übel wieder beiseitigt werden kann. Abhilfe dagegen schaffte jedoch nur, dies mit Bier und Brotzeit wieder rückgängig zu machen!
Ein weiterer „böser“ Brauch um einen geizigen Bauherrn im ganzen Dorf bloßzustellen war jener: Bei „Nacht und Nebel“ holten die Maurer den Richtbaum vom Dach, und nagelten an dessen Stelle einen möglichst alten und dazu noch recht dreckigen Stallbesen, der auf einem Bauernhof besorgt wurde. Und wollte diesen die Bäuerin nicht herausrücken, weil sie sich schämte, solch ein unansehnliches Teil herzugeben, wurde er einfach –und gerade deshalb– mitgenommen!
Mit freundlicher Unterstützung von Annemarie Böck
vom Schwangauer Land am Alpenrand
Titel: Richtfest
Autor: Annemarie Böck
Copyright: Annemarie Böck
gepostet von Annemarie Böck am:
Date: 31.08.2008 22:21
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