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Wähen - Was Sie über Wähen schon lange wissen wollten
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Was Sie über Wähen schon lange wissen wollten
Text und Bild: Albert Spycher-Gautschi, Basel. Alle Rechte vorbehalten.

Im oberrheinischen Dreiland Basel und Umgebung versteht man unter einer „Wähe“, „Waaie“ oder „Waijhe“ einen im Wähenblech gebackenen Flachkuchen mit niederem Rand und mit einem Früchtebelag versehen oder mit einer Füllung aus Käse, Zwiebeln oder Speck. Alt Bäcker-Konditormeister Eugen Krebs-Obrist Basel
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Der Wähenbegriff ist im Atlas der Schweizerischen Volkskunde als „Sache 188.4“ abgehandelt und war Gegenstand wort- und sachgeographischer Untersuchungen. Zur Deutung des Gebäcknamens werden mittelhochdeutschte Wörter beigezogen - „waehe“ als Ausdruck von etwas Kunstvollem, „wîhen“ im Sinne von Gesegnetem, Geweihtem und am Überzeugendsten „waejen“ als Ausdruck für das Wehen des Windes. Daraus entstand die bildhafte Vorstellung von „Auseinandergelaufenem“, in einem alten schweizerischen Wörterbuch von „missratenem Gebäck“.

Die Gebäckbezeichnung „Wähe“ wanderte gegen Ende des 18. Jahrhunderts aus dem südelsässischen Sprachgebrauch in die Gegend von Basel. Im unterelsässischen Séléstat (Schlettstatt), Sitz des berühmten Brotmuseums „Maison du Pain“, wird der Ausdruck „Waaie“ nämlich auf das „Oberland“, den südlichen Teil des Département Haut-Rhin verwiesen, was eine Volksmeinung aus dem alten Colmar noch unterstreicht: „D‘ Colmerer schyssen uf d Waaie und backe Kúúch!“ (Die Colmarer sch... auf die Wähe und backen Kuchen). Im südbadischen Raum liess der alemannische Dichter Johann Peter Hebel die Gebäckbezeichnung „Weihe“ ins Gedicht „Der Jenner“ (Januar) einfliessen:

„Gang bring der arme Fischer-Lis
e Säckli Mehl, e Hemdli wyss, [...]
und sag, sie söll au zuenis cho
und Weihe hole, wenn i bach...“.

An einem Oktobertag im markgräfischen Oetlingen fielen Herbstblätter auf die Tische einer Gartenwirtschaft, wo sich ein Disput entspannte, ob das leckere Dreieck auf dem Teller eines Gastes eine Rhabarberwähe oder ein Rhabarberkuchen sei. Die Lösung fand sich bei Kaffee und Fasswein: Die Rhabarberwähe ist lediglich mit einem Eierguss ausgestattet, mit Eiweiss überbacken ist sie im Badischen ein Kuchen. Im Laufe der Jahrhunderte kamen auch Anleitungen für Fladen und Torten ins Spiel, die sich bei näherer Betrachtung als Wähenrezepte entpuppten, so der „englische Fladen“ des Meisters Hanns vom Jahr 1460, eine mit Weichkäse-, Butter- und Pfeffermischung gefüllte Teigform. Auch die „Krut-Darten“ (Krauttorte) der Baslerin Magdalena Platter von 1592 erwies sich als Wähe aus einem Tortenboden mit Füllung aus Spinat, Weissbrot, Butter, Zucker und Gewürzen.

Die Ursprünge der Wähenbäckerei sind nicht im Bäcker-Konditor-Gewerbe, sondern in der vorab ländlichen Hausbäckerei zu suchen. Wenn am zumeist samstäglichen Backtag die Teigreste aus der „Muelte“ (Backmulde) gescharrt wurden, wallte man die so gewonnene „Mueltschäärete“ zu einem Fladen und drückte den Teigrand zu einem Wulst zusammen, damit der Belag nicht auslaufen konnte. Dieser bestand aus dem, was im Haushalt gerade vorrätig war - Obst, Zwiebeln, Speck, Milch, Nydel (Rahm) oder „Anggeschäärete“, dem beim Auslassen der Butter abgesetzten hellbraunen Fond. Solche „Nydel“- oder „Schüsselwähen“ wurden nach dem Brotbacken auf dem langgestielten Backschüssel in den Ofen geschoben. Wenn im Baselbiet der Visiteur eines Basler Seidenbandfabrikanten ausgerechnet am Backtag den Bandwebstuhl einer Heimposamenterfamilie inspizierte, konnte er damit rechnen, beispielsweise mit einer „Ziibelewääie“ (Zwiebelwähe) verwöhnt zu werden.

Für die Stadt Basel ist anzumerken, dass in den Akten der Brotbeckenzunft schon Ende des 17. Jahrhunderts der Ausdruck „Waaie“ als Kürzel für die brezelähnliche und mit Kümmel bestreute „Fastenwähe“ verwendet wurde. In manchem besseren Haushalt wird es die Dienstmagd vom Land gewesen sein, die ihrer Herrschaft das Backen von Aprikosen-, Zwetschgen- und vielerlei andern Wähen beibrachte. An die vornehmere Bezeichnung „Daarte“ (Torte) gewöhnt, übernahm die backfreudige Basler Frauenwelt den Ausdruck „Waaie“ nur zögernd, was etwa im Rezept „Weyendärtlein“ (kleine Speckwähe) der Dorothea Respinger von 1794 zum Ausdruck kommt. Auch die Verfasserinnen gedruckter Kochbücher taten sich bis über die Schwelle des 20. Jahrhunderts hinaus noch schwer mit dem Unterscheiden von Kuchen und Wähen.

Wie in vielen Familien war auch im elterlichen Haushalt des Schreibenden am fleischlosen Freitag „Wähentag“. Die Mutter bereitete die Apfel-, der Vater die Käsewähe. Als Alternative gab es zur obligaten Kartoffel- oder Erbssuppe „süsse Wecklein“ aus dem Bäckerladen. Vor dem Zweiten Weltkrieg rief die Fachpresse das Bäcker- und Konditorengewerbe auf, mit gleichwertigen und preisgünstigen Produkten gegen die Hausfrauendomäne des Wähenbackens anzutreten. Die Bedeutung des Backtags und des Freitags für den Wähenkonsum hat sich verwischt, Wähen aller Arten sind längst Alltagsartikel geworden. Geblieben ist aber die Tradition der Mehlsuppe, „Kääs- und Ziibelewaaie“ nach dem fasnächtlichen Basler Morgenstreich.

Quelle: Albert Spycher: Back es im Öfelin oder in der Tortenpfann (186. Neujahrsblatt der Gesellschaft für das Gute und Gemeinnützige in Basel), Verlag Schwabe AG, Basel 2008).

Back es im Öfelin oder in der Tortenpfann.
Fladen, Kuchen, Fastenwähen und anderes Gebäck

2007. 159 Seiten mit 82 Abbildungen, davon 54 in Farbe. Broschiert.
Fr. 35.– / EUR 24.50
Schwabe Verlag Basel
ISBN 978-3-7965-2383-0

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