Der Fruchtbarkeitsdämon im Gefolge von Militär und König
Versuch einer Ursprungsdeutung über den Wurmlinger Pfingstritt.



Ganz früher war wohl auch der Wurmlinger Pfingstbutz zu Fuß unterwegs. Sein Regenzauber und das Baden im örtlichen Brunnen-wie es anderswo auch üblich war-konnte ja auch ohne Pferde bewerkstelligt werden. Irgendwann in der frühen Geschichte wurde der Pfingstbutz in den Sattel gesetzt. Das Eintauchen des Pfingstbutz ins Wasser um Regen herbeizurufen fiel zu diesem Zeitpunkt weg. Die Rosshirten, die in der Hierarchie der Hirtenleute ganz oben standen, könnten die Urheber des Wurmlinger Wettreiten mit und um den Pfingstbutz sein. Die überlieferte Erwähnung 1858 des Reitens in den oberen Wald in nordöstlicher Richtung um den Pfingstbutz zu erwählen lässt auf beteiligte Rosshirten schließen. Auch der Maibaum könnte die Handschrift dieser Rosshirten tragen. C Siehe dazu „Der Pfingstbutz“ im Wurml. Amtsblatt Pfingsten 2011).

Weil der Pfingstbutz im früheren Verständnis für Pflanzenwachstum und gute Ernte sorgen sollte, da er mit seiner Verkleidung in frisches Laub als Frühlingsbote galt, war er für die bäuerlichen Umtriebe der damaligen Gesellschaft wichtig. Wahrscheinlich bereicherten die Rosshirten ihre Reiterspiele zur Frühlingszeit indem sie den Pfingstbutzbrauch in das Wettreiten aufnahmen. So ist wohl eine Fusion entstanden unter dem Namen: „ Pfingstdreckreiten“.

Ein Brauchtum welches lebt das verändert sich auch immer wieder. Teile fallen weg, anderes wird aus welchen Gründen auch immer aufgenommen, als gut empfunden und akzeptiert. Eine Verschmelzung lieb gewordener Gewohnheiten oder Umstände wachsen zu einer Einheit zusammen.

Die Fusion des Pfingstdreckreitens wurde noch erweitert mit der Gefolgschaft des Mohrenkönigs seiner Offiziere und Dienerschaft. Dass immer wieder neue Impulse in das Wurmlinger Brauchtum Einzug fanden zeigt die Person des Doktor Eisenbart (1663-1727), er muss als jüngster Bestandteil des Pfingstritts betrachtet werden.

Eine Erklärung bezüglich unseres Mohrenkönig verlangt einige Sätze der möglichen Deutung seines Wesens und Herkunft, die glaubhaft nachvollziehbar ist.

Der Mohrenkönig ist ein „Hinweis auf die mit Pfingsten verbundene Heerschau. Sie führt auf ein uraltes Brauchtum zurück: Der vorjulianische römische Kalender begann das Jahr mit dem 1. März – und das nicht ohne Grund, denn in Rom beginnt die warme Jahreszeit. Die Benennung des ersten Monats nach dem Kriegsgott Mars scheint auch nicht zufällig zu sein, denn der 1.März war in römischen Reich Tag der Truppenschau…Nördlich der Alpen konnte man dieses Ereignis nicht am 1. März begehen, denn hier herrschte noch Winter. Auf Anordnung Pippin des Kurzen (751 – 768) aus dem Jahr 755 wurden die Heerschauen auf den 1. Mai gelegt“. (Manfred Becker-Huberti)

In den Jahren der römischen Kaiserzeit und des weströmischen Reiches gehörten weite Teil des Maghreb zur Herrschaft von Rom. Dazu auch das Königreich Mauretanien das sich damals über das heutige Marokko und Algerien erstreckte. Hat mit dem derzeitigen Mauretanien nichts zu tun. Diese Mauren wurden wegen ihrer Hautfarbe auch Mohren genannt. Der Begriff Maure kommt vom Griechischen was so viel wie schwarz, dunkel, dunkelhäutig bedeutet. Im Mittelhochdeutschen wurde dann nicht selten schwarzer Mohr ( Maure mit dunkler Hautfarbe) verwendet. Auch im italienischen bedeutet Mohr der „Dunkle“ oder „Schwarzbraune“. ( Wikipedia Mohren und Mauren)

Ist nun unser Mohrenkönig ein Maurenkönig? In der besagten römischen Zeit war der Maurenkönig Rom zugehörig. Waren nun bei den oben erwähnten Heerschauen am 1. März in Rom auch Maurenkönige zugegen? Und wurden diese dann vom Volke Mohrenkönige genannt, kann dann der Sprung dieses Mohren in unsere Gefilden passiert sei? Real eher nicht. Was aber doch gut denkbar ist, dass in Form von theatralischen Aufführungen der Schritt über die Alpen in den süddeutschen Raum erfolgt ist. Betrachten wir die Pfingstsprüche, die der Mohrenkönig und die Seinen zum Besten geben, so fällt auf, dass das Vorgetragene arg übertrieben ist. Wenn der Mohrenkönig mit seinem militärischen Charakter, mit seinem Gefolge von Soldaten und Versorgungsleuten auch bei uns – allerdings im Mai – solche Truppenschauen theatralisch bereicherte, dann hat durch ein schwarz bemaltes Gesicht der Mohr vielleicht auf diesem Weg in das Brauchtum an Pfingsten gefunden.

Maifeste wurden ja früher auch gerne auf Pfingsten gelegt. Wie im früheren Rom der Heerschau- Platz „ Märzfeld“ hieß, so hieß es im süddeutschen Raum „Maifeld“. „Macht Platz, macht Platz, Mann, Weib und Kind, der König kommt mit seinem Regiment“. So kündigt der Platzmeister des Mohrenkönigs Gefolge an. Der Quartiermeister ruft laut…“des Mohrenkönigs Regiment, ist angekommen geschwind“. Hinweise auf den militärischen Charakter.

Betrachtet man das Wurmlinger Pfingstreiten unter solchem geschichtlichen Wachstum, so lassen sich drei Teile in diesem Brauch finden:

Der Pfingstbutz als Fruchtbarkeitsdämon. Er ist unbestritten das herausragende Symbol dieses Brauches. Durch seine Laubverkleidung im grünen Buchenreisig wächst er zum Pfingst-Rek heran und gab damit der Wurmlinger Sitte Inhalt und Namen. Der volkstümliche Ausdruck „Pfingstdreckreiten“ lässt dies erkennen: Das Reiten mit dem Pfingstdreck bzw. Pfingstbutz.

Das Wettreiten, wohl von den damaligen Rosshirten zum Frühlingsfest gepflegt. Der Maibaum könnte seinen Ursprung hier haben. Der Maienträgerspruch ist inhaltlich der Burschenschaft gewidmet, dieser befasst sich mit den Mädchen und den Umgang mit ihnen. Auch würde ich die Entstehung der Pfingstpredigt, die ja mit einer Fasnetspredigt viel gemein hat, hier ansiedeln. Inhaltlich waren primär die Liebe und die Eifersucht der dörflichen Jugend Thema in diesem Vortrag.

Der Mohrenkönig mit seinen militärischen Aspekten. Durch die Präsentation seiner Person, Soldaten, Offiziere sowie seiner Dienerschaft: Koch des Königs, Kammerherr, Kellermeister, Quartiermeister, Kurier des Königs.

Bei dem Spruch des Mohrenkönigs hat sich ein Fehler eingeschlichen welcher bereits viele Jahre wiederholt wird. Schon in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts heißt es dort: ...Ich hab ein schwarzes Haar und ein weißes Gesicht… Das kann so natürlich nicht stimmen. In der Überlieferung (Birlinger 1861/62) spricht der Mohrenkönig richtigerweise…Ich hab ein weißes Haar und ein schwarzes Gesicht... Ernst Maier kannte im Jahr 1852 als er über den Wurmlinger Pfingstritt berichtete, diese Zeilen des Mohren nicht. Bei ihm steht der Korporal im streitbaren Dialog mit dem Mohrenkönig, was heute anders ist

Durch fehlende schriftliche Zeugnisse ist es schwer diese Wurmlinger Sitte zu bestimmen. Allerdings könnte das „Baurenfest bzw. das Rosengartenspiel“ auf dem Bernbühl den Pfingstritt tangieren. In „Ludwig Schmid, Graf Albert von Hohenberg “ wird diese Begebenheit 1879 beschrieben, die dort in die Mitte des 13.Jahrhunderts gelegt wird. Ein Ritterspiel mit dem Grafen Albert von der „Alt-Rotenburg“ und dessen Gefolge, wobei auch Wurmlinger Bürger dort mitspielten, namentlich auch „Heinrich der Weise“. Inhaltlich fundierte dieser Auftritt in der Dietrichsage bzw. dem Nibelungenlied. Dietrich von Bern (Verona) ist Namensgeber des Gewann Bernbühl , einer der drei Berge, die auch das Wurmlinger Wappen zieren (Bernbühl, Wandelburg, Kapellenberg).

Hat nun unser Brauchtum Anteile des weltgeschichtlichen Rom (Mohrenkönig), Splitter aus dem Heldenepos des Dietrich (Bernbühl ) und schwerpunktmäßig im (Baurenfest) den Vegetationsdämon Pfingstbutz ? In der Ritter.-und Sagensprache ist das Wort „Recke“ geläufig. Der Wurmlinger Butz hieß früher einmal Pfingstdreck. Hier wird der Begriff Recke deutlich. Kann man hier eine Berührung sehen? Oder ist diese Überlegung ein Gedankengespinst? Das alte volkstümliche Wurmlinger Wort des „Pfingstdreckreiten“ ist vielleicht tiefgründiger als wir denken.

Eine erste schriftliche Erwähnung des Wurmlinger Pfingstritt stammt aus der Franzosenzeit. Im Nachlass von Nikolaus Miller (1850-1928), Wurmlinger Bürger und Poet, befindet sich eine Pfingstpredigt, die Miller um das Jahr 1820 datiert. Miller kannte noch darin erwähnte Personen. Die Pfingstbräuche um den Pfingstbutz gehen weit in die Geschichte hinauf. Deshalb bleibt vieles was wir genauer wissen möchten und deshalb Vermutungen anstellen müssen im Dunkeln der frühen Zeiten verborgen. Einzelheiten der Überlieferungen können helfen die Wurmlinger Sitte einzuordnen ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Viele solche Pfingsttraditionen haben die Geschichte nicht überstanden. Das Wurmlinger „Pfingstdreckreiten“ hat sich erhalten und liefert alle zwei Jahre den Beweis lebendiger Tradition, dank der jungen Burschen und Mädchen.

Anton Birlinger

Mit freundlicher Unterstützung von Anton Birlinger
Titel: Wurmlinger Pfingstritt
Autor: Anton Birlinger
Copyright: © by Anton Birlinger
eingesandt von Anton Birlinger am:
Date: 02.04.2013 14:18


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