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Vom "Scheibenschlagen", "lancement de disques enflammées" und vom "Reedli-Schigge"
von Albert Spycher-Gautschi

Bild 1 - Nach dem lancement de disques im Sundgaudorf Neuwiller. Dieser Beitrag lenkt den Blick auf den Brauch des spätwinterlichen Scheibenschlagens in zwei benachbarten Ortschaften vor den Toren der Rheinstadt Basel - auf Schweizerseite im Leimentaler Rebbaudorf Biel-Benken und im elsässisch-sundgauischen Neuwiller. Dort wurde der Verfasser in den 1970er-Jahren erstmals Zeuge dieses Brauchtums, das dort inmitten alemannisch-mundartlichen Sprachraums als "lancement de disques enflammées" bezeichnet wird. Damals gab ein Kenner aus dem Leimentaler Oberwil dem jenseits der Landesgrenze in Vergessenheit geratenen Winteraustreiben neuen Schwung, der zeitweise erlahmte, jedoch seit einigen Jahren wieder auflebte - letztmals am 24. März 2012. Bild 2 - Bau der Reedli-Bänke ob den Benkener Hollen. Seither liegen auf der Gemarkung "Kirsner" (Rue des Landes) die Trümmer einer improvisierten Rampe, über welche sich die "disques" höchstens ein paar Meter weit ins Ackerland hinaus treiben liessen (Bild 1). Einige davon trugen die Aufschrift "24 mars". Der von den "Jeunes de Neuwiller" organisierte Anlass richtet sich nicht nach dem Kalender und soll den Veranstaltern die Kasse aufbessern helfen. Die "disques" werden zu bescheidenem Preis in Biel-Benken bezogen und den Teilnehmenden mit einem Preisaufschlag abgegeben. Bild 3 - Bereit für's „Reedli-Schigge”. Im Hintergrund die Burg Landskron. Wer sich in dieser Gegend bewegt, steht dank verzwickter Grenzbereinigungen durch den Wiener Kongress von 1814-1815 mit einem Bein auf Schweizerboden, mit dem andern in Frankreich. Von Neuwiller aus führen Spazierwege nach Biel-Benken, zum Beispiel an einem vom Waldrand verschluckten alten Zollhäuschen vorbei. Grenzüberschreitenden Begegnungen rund um "Reedli" und "disques" stünden von da her gesehen keine Formalitäten im Wege...

Bild 4 - ”Chien-Faggele” binden mit Samuel Heyer. Die einstmals eigenständigen Gemeinden Biel und Benken schlossen sich im Jahr 1972 zusammen, begehen aber das mit einem "Faggele-Zug" (Fackelzug) einhergehende Scheibenschlagen getrennt und nennen den Brauch "Reedli-Schigge" (Rädchen schicken) - die Bieler hoch über den Dächern auf dem "Oberen Acker", die Benkener hart an der Landesgrenze ob den Reblagen der "Benkener Hollen". Dieser Aussichtswarte wenden wir uns zu. Der Blick schweift nach Osten zur markanten Gempenfluh und zum Goetheanum Dornach, über das langgezogene Wandergebiet der Blauenkette zur mächtigen Burg Landskron und zum elsässischen Quellgebiet des Leimen- oder Birsigtals im Westen. Bild 5 - Wie man's früher machte: ”Reedli” zurichten an der Zugbank und mit dem Ziehmesser. Kurz vor dem "Funkensonntag" (1. Sonntag nach Aschermittwoch) stellen zwei Gemeindearbeiter sieben Abschlagbänke für das "Reedli-Schigge" auf. Hiezu gilt es, für jede "Reedli-Bangg" zwei solide Pfosten ins Wiesland zu schlagen und eine gut drei Meter lange massive Eichendiele in einem Winkel von 35 bis 40 Grad darüber zu montieren (Bilder 2 und 3). Freiwillige Helfer sorgen in beiden Ortsteilen für die Erhaltung des Brauchs, indem sie die Jungmannschaft beim Anfertigen der "Reedli" nach alter Manier auf der Zugbank (Bild 4) und "Chien-Faggele" (Kienfackeln) anleiten (Bild 5) die Kinder zum Sammeln von Holz und Stroh für die "Fasnet-Füür" (Fasnachtsfeuer) mobilisieren. So werden auch weiterhin am Nachmittag des Funkensonntags Heischeverse durchs Dorf hallen, wie:

Bild 6 - ans Rudolf Löw an Grossvaters Drehbank. "Holz, Strau, Stängelwälle
für die alti Fasnachts-Schälle.
S' Dorf uff, s'Dorf ab -
Wär nüt git, isch e Lumpepagg."

Für die Beschaffung der etwa zwei Meter langen zugespitzten Haselstecken zum Aufbringen der "Reedli" sind die Teilnehmenden selbst besorgt. Deren serienweise Herstellung der ist traditionsgemäss Sache des 1937 geborenen gelernten Schreiners und Baufachmanns Hans Rudolf Löw, der diese Verrichtung in jungen Jahren vom Vater übernahm. Aus eigener Waldung geschlagenes und gut gelagertes Buchenholz wird erst zu Vier- und Achtkantholz verarbeitet und dann auf einen Durchmesser von 10 Zentimetern rundgehobelt. Nachdem ein Rohling auf die Drehbank gespannt wurde, tieft Hans Rudolf Löw mit Hilfe eines Stechbeitels Rillen in das Holz - "die Reedli anspitzen", nennt er diesen Vorgang. Bild 7 - Die ”Reedli” im ”Fasnet-Füür” zum Glühen bringen. So vorbereitet, werden handliche Stücke durchbohrt und an der Bandsäge zu gut einem Dutzend Scheiben zertrennt. Dieses wenig lukrative und als Liebhaberei zu bezeichnende Werken beschäftigt Hans Rudolf Löw das ganze Jahr hindurch. 2012 gingen an die 13000 Rädchen für Abnehmer in der Region durch seine Werkstatt (Bild 6). Löw ist guter Dinge, dass einst ein Sohn die "Reedli-Macherei" und auch die Anfertigung von Fackeln übernehmen wird.

Bild 8 - Abschlag geglückt. Beim Eindunkeln wird es lebendig auf dem "Oberen Acker" und über den "Benkener Hollen". An dieser Stätte werden gleich drei Fasnachtsfeuer in Brand gesetzt, unzählige Rädchen an den Stecken zum Glühen gebracht, mit kreisenden Bewegungen geschwungen und auf der Abschlagbank über das steil abfallende Rebgelände hinaus katapultiert (Bilder 7 und 8). Von den Einen als Dämonenkult, von den Andern als Fasnachtsbrauch wahrgenommen, verbreitet das nächtliche Geschehen im Feuerschein eine geradezu feierliche Stimmung. Der Verfasser bekam als Zaungast einen Stecken und ein paar dieser Buchenholzscheibchen in die Hand gedrückt. Dass ihm auf Anhieb eine ordentliche Leuchtspur gelang, war Anfängerglück. Gegen 22 Uhr waren die letzten Rädchen "geschickt" - Zeit, um die mitgebrachten Fackeln in den erlöschenden Fasnachtsfeuern zu entflammen und in feurigem Umzug zu Tale zu tragen. Bild 9 - Vorfrühlingsidylle in den Benkener Hollen. Mancheiner suchte jetzt ein paar Stunden Schlaf, denn um vier Uhr in der Früh leitet der "Morgenstreich" die Basler Fasnacht ein.
Wenn Wochen später Vorfrühlingsboten einziehen, lassen sich bis zum Fuss der Rebgelände hinunter Fasnachtsrädchen einsammeln. Ein Irrläufer aus den Vorjahren fand sich mitten unter Wilden Rebentulpen, deren Sonnengesichter auf ein gutes Weinjahr hoffen lassen (Bild 9). Der Verfasser dankt den Herren Samuel Heyer, Hans Rudolf Löw und Kurt Stiegeler für ihre Auskünfte.







Bildlegenden

  • Bild 1   Nach dem "lancement de disques" im Sundgaudorf Neuwiller.
  • Bild 2   Bau der "Reedli"-Bänke ob den Benkener Hollen.
  • Bild 3   Bereit für's "Reedli-Schigge". Im Hintergrund die Burg Landskron.
  • Bild 4   ”Chien-Faggele” binden mit Samuel Heyer.
  • Bild 5   Wie man's früher machte: ”Reedli” zurichten an der Zugbank und mit dem Ziehmesser.
  • Bild 6   Hans Rudolf Löw an Grossvaters Drehbank.
  • Bild 7   Die ”Reedli” im ”Fasnet-Füür” zum Glühen bringen.
  • Bild 8   Abschlag geglückt.
  • Bild 9   Vorfrühlingsidylle in den Benkener Hollen.
Empfohlene Literatur:
Div. Autoren: Heimatbuch Biel-Benken, Liestal 1993.
Gespräch mit dem Volskundler Dominik Wunderlin: Der Mensch braucht Rituale, in: Pro Senectute Basel, Akzent Magazin Februar 2010.
Div. Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, Internet.

Mit freundlicher Unterstützung von Albert Spycher-Gautschi
Titel: Scheibenschlagen
Autor: Albert Spycher-Gautschi
Copyright: © by Albert Spycher-Gautschi
Bilder: Albert Spycher-Gautschi
gepostet von Albert Spycher-Gautschi am:
Date: 30.04.2012 12:48


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