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Ob Sahne-Baiser oder Meringue Chantilly – süsse Verführungen
Von Albert Spycher-Gautschi

Bild 1 - Basler Confiseure: Macarons de Paris von Schiesser und Schokolade-S. von Krebs. Wenn Udo Jürgens in seinem Schlager „Aber bitte mit Sahne“ zum Sturm auf Kuchenbuffetts und „Sahne-Baisers“ bläst, ist mit dem ersten Wortteil nach schweizerischem Sprachgebrauch Rahm gemeint, althergebracht auch „Room, Nidel“ oder „Nidle“. Mit dem Schwingbesen von Hand oder per Stabmixer bearbeiteter Rahm wird zu Schlagrahm, in der älteren französischen Literatur „Crème fouetté;e“ genannt. Der Begriff „Chantilly“ hiefür erinnert an eine idealisierte Molkerei (laiterie) des 18. Jahrhunderts im Park des Schlosses Chantilly südwestlich von Paris. Die in jener Zeit aufgekommene Gebäckbezeichnung „Baiser“ (Kuss) hingegen steht für zumeist ovalförmige, knusprig-zartschmelzend gebackene Biscuits aus schaumig geschwungenem „Eiweiss“ oder „Eierklar“ und ist gleichbedeutend mit den Fachausdrücken „Meringue“ oder „Meringue-Schale“, auch als „Meringen“ oder „Meringel“ bekannt. In der Deutschschweiz sind das „Meräng“ oder „Merängge“. Fügt man Schokolade bei, entsteht die Baisermasse für das altbekannte „Schokolade-S“. Nicht vergessen seien die „Macarons de Nancy“ und „Macarons de Paris(Bild 1). Kombinationen von Meringueschalen und einem Berg Schlagrahm stellen die Grundform einer Portion „Meringues à la crème Chantilly“ dar. Zusammen mit Glacékugeln entstehen „Meringues glacées Chantilly(Bild 2). Diese Verlockungen lassen sich zu „Vacherins“ in Tortenform ausgestalten, wobei Vacherin im lateinischen „vacca“ (Kuh) gründet und dem französischen „vacher“ oder „vacheron“ (Kuhhirt) entlehnt ist – nicht zu verwechseln mit den französischen und schweizerischen Weichkäsevarietäten „Vacherin Mont d’Or“. Mit der Vacherintorte verwandt ist die nach der russischen Tänzerin Anna Pavlova benannte mit Schlagrahm und Früchten garnierte Torte aus Meringuemasse, die leckere „Pavlova“.

Bild 2 - Eine Meringue glacée im „Lindenhof“ Mariastein. Wenn auch im Konditionalis, hält sich die Legende vom Zuckerbäcker Gasparini, der um 1600 oder 1720 das Schaumgebäck in der Berner Oberländer Gemeinde Meiringen kreiert und nach dem Namen dieser Ortschaft benannt haben soll. Plausibler ist die Erklärung im Inventar des Kulinarischen Erbes der Schweiz, wonach der Zucker im 17. Jahrhundert noch ein Privileg der Reichen und Adligen in Städten und Fürstenhöfen war und kaum in Gebirgsdörfern verwendet wurde. Am Fuss von vier Passübergängen gelegen, herrschte jedoch in Meiringen lebhafter Säumerverkehr. Reisende konnten sich in den vier „Badkästen“ des Bad Reichenbach pflegen. Man lebte von Eisenbergbau, Pferdemärkten, Salz- und Kristallhandel. Der Zürcher Arzt Johann Jacob Scheuchzer beschrieb, wie die Älpler „ihnen selbst oder fremden Gästen allerhand niedliche Speisen bereiten“, „Nidelbrot“ - in Nidel getauchtes Brot und „Stunckenwerne, ein feistes Mus aus Nidel, Mehl und Eyern“. Die Erstbesteigung des Finsteraarhorns (1812) und weiterer Bergriesen waren Wegbereiter für den Fremdenverkehr. Reiseberichte von Jacob Samuel Wyttenbach und Christoph Meiners lobten das Essen und die Betten im Meiringer Gasthaus „Wildenmann“, wo auch Johann Wolfgang von Goethe abgestiegen war. Die Schrifstellerin Friederike Brun rühmte den „dicken, süssen Rahm“, von dem sie in Interlaken „drey Esslöffel voll mit Brod“ gegessen hatte. Jeremias Gotthelf lässt im Roman „Uli der Pächter“ (1859) das Vreneli fragen, ob sie „Nidlen stossen solle, recht dick“ – also Butter. Geschlagene, beziehungsweise geschwungene Nidel kommt in den genannten Berichten wie auch bei Gotthelf so wenig vor wie die Meringue.

Bild 3 - Aus der Handschrift des Meister Hansen, 1460: Gebackener Reis mit „weiss von den aÿren“. Das Folgende ist ein Versuch, die Geschichte der Meringue aufzuhellen. Während Friedrich Kluge die Entlehnung aus dem früh-romanischen „mellinus“ (honigsüss) in Betracht zieht, kommt der Sprachwissenschaftler Otto Jänicke zum Schluss, dass sich Meringue vom lateinischen „merenda“ (Vesperimbiss) herleitet und ursprünglich eine nordostfranzösische Spezialität bezeichnet haben muss. Im Laufe des 17. Jahrhunderts sprengte der Ausdruck Meringue in Wort und Sache den regionalen Rahmen und machte sich durch die Verbreitung in Kochbüchern europaweit bekannt. Die Zutaten wurden jedoch schon früher verwendet. Auf der Suche nach der Verwendung von Eierklar setzen wir im ausgehenden Mittelalter an.

Bild 4 - Holzschnitt aus Bartholomäus Platina, 1537: Mit Eierklar „roten Wein schön machen“. Guillaume Tirel, auch Taillevent genannt, hinterliess als Koch des Franzosenkönigs Heinrich V. die um 1320 entstandene Rezeptsammlung „Le Viandier“ mit einer Anleitung für „Spanische Fürze“ („Spanish farts, pets d’Espagne“). Man strich kleine Keramikgefässe mit Eiweiss aus, füllte sie mit Hackfleisch, Würze und kochte das Gemenge in der Pfanne. Dann wurden die Gefässe zerschlagen, die Fleischbällchen aufgespiesst und frittiert. In der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts warnte Eberhard von Landshut, Koch des Herzogs Heinrich XVI. von Bayern-Landshut, „... das weyss kelt...“ - das Eiweiss kälte, mache Schleim, böses Blut und verderbe die Speisen. Anderseits enthält die Handschrift des Meister Hansen (1460) Anweisungen, Reis zu backen. Wollte man ihn weiss haben, half dabei „das weiss von den aÿrn“. Den Reis sollte man nicht kochen, sondern mit „ayer klar“ reiben (Bild 3). Laut dem Rezept „Kroisseyger [Krosseier] zu machen“ aus der „Küchenmeisterei“ (1485) brach man die Spitzen von rohen Eiern auf, gab Würze in die Öffnung und verrührte den Inhalt mit einem Hölzchen. Hierauf wurde das Ei mit Eierklar verschlossen und in der Asche gegart. Eine Anwendung spezieller Art findet sich in Bartholomäus Platina’s „Von allen Speisen und Gerichten“ (1537) mit der Anleitung, mittels Eierklar „Roten Wein schön machen. Item nimm zuo einem fuder [2 Fass] wein / 27 ayer / vnd nimm das weiss darvon (...) vnd nimm einen klaynen besen / und schlags ein stund...(Bild 4).

Bild 5 - Holzschnitt aus Walter Ryff, 1544: „Das eyer weiss schwachen blöden (kranken)	leuten nit gegeben werden soll.“ Walter Ryff’s Warnung im „Spiegel und Regiment der Gesundheit (1544), Eiweiss sei schwer verdaulich und dürfe „schwachen und blöden Leuten nit geben werden“ fand wenig Gehör (Bild 5). Im „Kochbuch der Sabina Welserin“ (ca. 1553) kommt Eiweiss in Kombination mit Milchrahm ins Spiel: Um ein „rammuss [Rahm-Mus] zu machen“ rührte man 3 Quärtlein (ca. 9 dl) Rahm und 20 Eiweiss „woll vndereinander“ und servierte die Crème kalt oder temperiert. „Ain schne [Schnee] zu machen“ ging so: Rahm zu Schnee schlagen und auf einer gebähten und überzuckerten Semmel anrichten. Balthasar Staindls „Ein sehr künstlichs und nützlichs Kochbuch (1569) greift das Rahm-Mus mit der Überschrift „Schneemilch“ auf und streut über die mit Schlagrahm angehäuften Semmeln Weinbeeren und Zucker. Nach England führt das im „Proper new booke of coocerye“ (1575) schwierig zu interpretierende Rezept „To make a disheful of snow“. Darin werden Rahm, Eierklar und Rosenwasser verrührt. Dann fabrizierte man aus einem entrindeten Holzstückchen eine Art Schneebesen und schlug die Zutaten zu Schaum. Auf einer Platte wurden ein Apfel und ein Rosmarinzweig platziert – „a thicke bush of Rosemarye“ - und das Ganze mit dem Schnee überzogen. Das Londoner Kochbuch „The good huswifes handmade of the kitchin“ (1594) wählte einen entrindeten Brotlaib anstelle des Apfels.

Bild 6 - Meringue-Torte. Doppelseitige Lithographie aus Krackhart Karl, Neues illustriertes	Konditoreibuch, 1921. Wir überschreiten die Schwelle zum 17. Jahrhundert und schauen in die Rezeptsammlung „L’Ouverture de la Cuisine“ (1604) des fürstbischöflichen Kochs Lancelot de Casteau. Die Anleitung, „trockenen Schnee“ zu machen - „pour neige seiche“ – eine mit Moschus (Musc) und Ingwer gewürzte Mischung von geschlagenem Eiweiss und in Rosenwasser bis auf den Punkt gekochtem Zucker, wo er wie Schnee vom Spatel fiel - "pour qu'il tombe de la spatule comme la neige". François Pierre de la Varenne variierte im anonym erschienenen „Pâtissier françois“ (1653) dieses Vorgehen. Für die „Biscuits de sucre en neige“ läuterte er „un quarteron de sucre royal“, das sind ca. 125 Gramm feinsten Zuckers, und kochte diesen mit Rosenwasser - „sucre rosat“ - zu dickflüssigem Syrup. Dann waren zwei schaumig geschwungene Eiweiss beizugeben, Biscuits zu formen, auf ein Papier zu verteilen und bei schwacher Ofenhitze zu backen. Für die „biscuits de pistaches“ waren geschälte und im Mörser zerstossene Pistazien unter die Syrup-Eischnee-Masse zu mengen – „les meslerez avec l’appareil du biscuit en neige“. Das Schaumgebäck erhielt dabei eine leicht grünliche Farbe. Kaum veröffentlicht, wanderten diese Vorläufer unserer Meringues als "The manner how to make Sugar frosted Biskets" und "The manner to make Biskets of Pistaches" in das anonyme englische Kochbuch "The perfect cook" (1656). Aus der Reihe tanzt das Rezept „potage à la neige“ („Schneesuppe“) im Lehrbuch „L’Escole parfaite des officiers de bouche“ (1676) und vermittelt Einblick in die Berufswelt der „Officiers“. Zur potage bringe man Milch, Eigelb und Zucker zum Kochen. Vor dem Servieren lasse man das Eierklar stocken und schütte es in die Suppe „& les jettez dans votre soupe“. In Varennes „Le vrai cuisinier françois“ (1682) machte sich zu den biscuits eine Eiweisstorte beliebt, die „Tourte de blancs d’oeufs(Bild 6). Das Kochbuch „The accomplisht cook“ (1685) bezog sich auf den disheful snow von 1573 und machte mit der Vorschrift „To make Snow Cream Otherways“ jenes Rezept besser verständlich. Der Schneebesen entstand, indem man einen Fuss langen Stecken von der Spitze weg vierfach tief einschnitt. Der Schaum wurde zum Abtropfen in einen Durchschlag geschöpft. Die so entstandene Restflüssigkeit kochte man mit Zucker, Zimt und Ingwer auf und gab sie nach dem Erkalten der Schaummasse bei.

Bild 7 - Hinter dieser Titelseite finden wir erstmals die Gebäckbezeichnung „Meringue“. Was bis anhin als Entwicklungsstufen zu unserem Forschungsgegenstand gelten kann, erschien unter der Bezeichnung Meringue in der „Nouvelle instruction pour les confitures, les liqueurs et les fruits“ (1692) von François Massialot. Meringues und Macarons, so der Autor, seien leicht im Office zu fabrizieren: „Prenez trois ou quatre oeufs frais, selon la quantité de Meringues que vous voulez faire; retirez-en les blancs, & les foüettez [schlagt sie] jusqu’à tant qu’ils forment la neige à rochers...“ (Bild 7, Bild 8). Möglicherweise tauchte die Meringue schon im „Le Cuisinier Royal et Bourgeois“ (1691) und in der Übersetzung „The Court and Country Cook“ (1702) auf. Beide Titel konnten nicht eingesehen werden. Nach Massialots Anweisungen vereinfachte sich die Herstellung der Meringue durch die kalte Verarbeitung der Zutaten. Neige seiche wurde zur „Meringue sèche“, die Bisquits de pistache zu „Meringues pistaches“ umbenannt. Setzte man zwischen zwei Meringues eine Himbeere, Kirsche oder Erdbeere, entstand eine Zwillingsmeringue - die „Meringue de jumelles“. Eine Variante wurde bald in Österreich vorgestellt. Das „Neue Saltzburgische Koch-Buch“ (1719) brachte ein Rezept mit passierten „Marillen“ (Aprikosen) und einem Schuss Rum, in einer Bearbeitung von 1976 als "Marillenschaum mit Baiser“.

Bild 8 - Patisserie-Gehilfe beim Schlagen (fouetter) von Eiweiss mit Besen aus entrindeten Weidenruten (verge) in einer Wanne (bassine). Ausschnitt aus ganzseitiger Kupfer-Tafel Planche I, Pâtissier. in: Receuil des planches, Bd. 8. Die Bereitung der Meringues musste rasch vor sich gehen - bei Massialot "pour garnir des Potages de lait, ou Entremets de Crème“, an anderer Stelle „pour garnir plusieurs choses“. Mit der Zeit erhielt diese Verrichtung mit dem Verb „meringuer“, verdeutscht „meringieren“, einen Namen. So findet sich im „Nouveau Traité de la cuisine“ (1739) des Herrn Menon eine „crème meringuée“. „La science du Maître d’hôtel“ (1750) wendet sich direkt an die Officiers – mit einem Berg geschlagener Sahne, einer „Crème en Rocher“, ohne welche die Meringue eine halbe Sache wäre. Menon empfahl sie aber nur als Tupfer – „en forme de plusieurs petits rochers“. Wie angedeutet, wurden diese Produkte nicht in den Kompetenzbereichen der Cuisiniers, sondern in jenen der Officiers in separaten Offices hergerichtet. Die 9. Auflage der „Ecole parfaite des Officiers de la bouche“ (1713) brachte zwei Schlagrahmrezepte mit der Beigabe von blanchierten Seemuschelstreifen (ormeaux) – die „Crème fouettée commune“ und die „Crème fouettée en Roche“. Letzterer Variante wurde Tragant untergemischt, damit sich das Ergebnis leichter zu einer Pyramide appretieren liess. Joseph Gilliers, Chef d’Office am Hof des Polenkönigs Stanislaus Leszczinski in Nancy, veröffentlichte im „Le Cannameliste français“ (1768) ein weiteres Pflichtenheft. Mehr dazu bei Barbara Ketcham Wheaton: L’office et la bouche (1984).

Bild 9 - Konditor-Confiseur-Meister Markus Krebs, Basel: Alles im Griff. In den 1770er Jahren liess König Louis XVI. seiner Gattin Marie-Antoinette und den beiden Kindern im Petit Trianon des Schlossparks von Versailles einen idealisierten bäuerlichen Weiler (hameau) samt einer ebenso stilisierten Molkerei (laiterie) errichten. Zeitgenössische Memoiren und ältere Lebensbilder zählen in verkürzten königlichen Menu-Abfolgen mit Aktenverweisen auf die französischen Nationalarchive etwa Eis-Desserts und Erdbeeren mit Crème fouettée als Vorlieben der Königin auf. Der Publizist Stefan Zweig hatte die schriftlich überlieferten Nachrichten von den angeblichen Betätigungen der Königin in ihrer pseudorustikalen Idylle durchschaut. Während das Landvolk darbte, so schrieb er, „habe in diesen Potemkinschen Kulissendörfern ein läppisches und lügnerisches Wohlbehagen“ geherrscht. Biograph Chistian Duvernois wurde noch deutlicher: „Contrairement à la légende, Marie-Antoinette n’a jamais joué à la crèmerie et n’a jamais tentée de manger à la cuisine“ – sie habe nie Crèmefabrizieren gespielt und nie daran gedacht, in einer Küche zu essen. Hiezu standen ihr an Marmortischen kostbares Porzellans aus Sèvre zur Verfügung. Ebenso fragwürdig ist die marketingwirksame Kolportage, Stanislaus Leszczinski habe die Meringue bei seiner Tochter Marie-Antoinette in Versailles eingeführt.

1773 finden wir deutschsprachige Meringuerezepte in einer Spätausgabe "Amaranthes Frauenzimmer-Lexicon", zum Beispiel

"Meringen, feuchte, franz. Meringues liquides. Das Weisse von sechs Eyern wird recht in die Höhe gequirlt, und sehr rein geriebne grüne Citrone nebst fünf Löffeln voll gesiebten Zuckers dazu gethan. Wann dieses ein wenig unter das Eiweiss gerührt ist, so setzt man davon die Meringen mit einem Esslöffel in der Grösse einer Marone, eine so gross als die andere, auf weiss Papier, und lässt ein wenig Platz dazwischen. Ferner streut man reinen Zucker aus einer Zuckerbüchse darüber, deckt sie mit einem breiten, nicht allzu heissen blechernen oder irdenen Deckel zu, und legt etwas Feuer drauf; unter demselben lässt man sie ganz langsam backen, bis sie eine schöne braune Rinde bekommen (...)".

Bild 10 - Der Umluft-Backofen sichert das perfekte Ausbacken der Meringues. Ende des 18. Jahrhunderts fand die Meringue Eingang in eine Vielzahl bürgerlicher Rezeptsammlungen. Sophie Juliane Weiler verfasste ein „Augsburgisches Kochbuch“ (1788) und griff beim „Eyer-Schnee“ und „Schnee von süssem Rahm“ auf französische Vorbilder zurück. Die „Gründliche Anweisung alle nur denkbaren Conditoreiwaaren selbst zu verfertigen“ (1796) der Louise B.A. Friedel führt die Meringues als „Baisées“ mit „Gelée“ oder mit „Sahnecreme“ zwischen den beiden Schalen. Bemerkenswert ist die Überschrift in Margarethe Spoerlins Oberrheinischem Kochbuch (1811), über das www.brauchtumsseiten.de einen Beitrag aufschaltete. Die Bezeichnung "Merins" rührt wohl daher, weil Französisch für die Mülhauserin und ihren "Ghostwrier" Theobald Muntz eine Fremdsprache war. Louise Rytz-Dick macht mit der Anleitung „Gefüllter Eierschaum“ im „Neuen Berner Kochbuch (1836) ein Experiment: Eine Lage Eiweiss-Schnee auf einer Platte verteilen, Gelée sowie eine weitere Schicht Schnee auftragen „und im Oefeli bei sehr gelinder Wärme gebacken, oder auch in der Tourtiere mit dem warmen Deckel oben über“. In der Auflage von 1843 wird erklärt, wie man nach dem Backen das weiche Innere zweier Meringues mit einem „Caffeelöffeli“ herausnimmt, mit Schlagrahm oder Gefrorenem füllt und zusammenfügt. Beides zusamen ergibt eine reguläre Meringue glacée. Mit dem Aushöhlen wurde aus der Not eine Tugend gemacht, liessen sich doch die Meringues mit den Backvorrichtungen von Anno Dazumal nur schwer vollends durchbacken. Giacomo Perini’s „Schweizerzuckerbäcker“ (1852) lehnt sich mit dem „Caffeelöffeli“ an Louise Ritz, schlägt aber vor, das weiche Innere zu entnehmen und separat zu backen. Dieser Autor ist in der Geschichte der ausgewanderten Graubündner Zuckerbäcker nicht nachweisbar.

Bild 11 - Süsse Verführungen. Im 20. Jahrhundert angekommen, galt die Meringue in der Schweiz bis in die jüngste Zeit als „allgemeines Sonntags-Dessert“. Darum warnen die Autoren des Fachbuchs „Die Schweizer Konditorei“ (1953), Meringues auf Vorrat herzustellen, „weil die Schalen durch das Stehen weich werden und der Wohlgeschmack des Desserts leidet“. Seit die Konsumentenschaft „linienbewusster“ geworden ist, ging der Verkauf etwas zurück. Der Basler Konditor-Confiseur-Meister Markus Krebs backt vierzehntäglich Meringueschalen im Umluftbackofen, der sie mit feiner Rauchfarbe und peerfekt durchgebacken entlässt. So schmelzen die Meringues auf der Zunge – süsse Verführungen eben (Bild 8, Bild 9, Bild 10).

Abschliessend ist festzustellen, dass im Zuge dieser Untersuchung keine Zusammenhänge zwischen der Meringe und den Ortschaften Meiringen in der Schweiz oder Mehringen in Sachsen-Anhalt kundig wurden. Umso zahlreicher finden sich gesicherte Quellen zur Entwicklung der Meringue in Wort und Sache seit der jüngeren Neuzeit. Ausgehend vom Rahm-Mus und der Schneemilch in Rezeptsammlungen des 16. Jahrhunderts erschienen seit dem 17. Jahrhundert Vorstufen der Meringue als Neige sèche, Biscuit de sucre en neige wie auch Crème fouettée, jeweils umgehend ins Englische, Italienische und Spanische übersetzt. Das überraschende Aufkommen der Gebäckbezeichnung Meringue um 1692 lässt Fragen nach der Urheberschaft weiterhin offen und lädt zur Beobachtung der in Frankreich laufenden Forschung zur Geschichte der Cuisiniers, Patissiers und Officiers ein. Besonders spannend wären Einblicke in das königliche Erlasswesen (ordonnances) und in Dokumente über die berufsinternen Organisationen (corporations) jener Metiers, auch die Suche nach Personennamen, und nicht zuletzt der Zugang zu vollständigen Aufzeichnungen von Speisefolgen bei Hofe – Recherchen, die zu den französischen Nationalarchiven führen und dem Verfasser dieser Arbeit nicht möglich sind.



Bildlegenden: (© Albert Spycher-Gautschi)

  1. Basler Confiseure: Macarons de Paris von Schiesser und Schokolade-S. von Krebs.
  2. Eine Meringue glacée im „Lindenhof“ Mariastein.
  3. Aus der Handschrift des Meister Hansen, 1460: Gebackener Reis mit „weiss von den aÿren“.
  4. Holzschnitt aus Bartholomäus Platina, 1537: Mit Eierklar „roten Wein schön machen“.
  5. Holzschnitt aus Walter Ryff, 1544: „Das eyer weiss schwachen blöden (kranken) leuten nit gegeben werden soll.“
  6. Meringue-Torte. Doppelseitige Lithographie aus Krackhart Karl, Neues illustriertes Konditoreibuch, 1921.
  7. Hinter dieser Titelseite finden wir erstmals die Gebäckbezeichnung „Meringue“.
  8. Patisserie-Gehilfe beim Schlagen (fouetter) von Eiweiss mit Besen aus entrindeten Weidenruten (verge) in einer Wanne (bassine). Ausschnitt aus ganzseitiger Kupfer-Tafel Planche I, Pâtissier. in: Receuil des planches, Bd. 8.
  9. Konditor-Confiseur-Meister Markus Krebs, Basel: Alles im Griff.
  10. Der Umluft-Backofen sichert das perfekte Ausbacken der Meringues.
  11. Süsse Verführungen.


  12. Aufnahmen und Reproduktionen von Albert Spycher-Gautschi.

Verwendete Kochbücher und sonstige Lehrwerke:

  1. A Accomplisht Cook, or the Art and Mystery of Cookerey, 3. Aufl., The Archer. London 1685, Sect. XII.
  2. Amaranthes (Gottlieb Siegmund Corvinius) nutzbares, galantes und curiöses Frauenzimmer- Lexicon, Buchhandlung Gleditsch, Frankfurt 1773, Sp. 2154.
  3. A proper new booke of coocerye, published in 1575 by William How, Tudor, S. 8r.
  4. De Casteau, Lancelot (Anshelm von Chester): L’Ouverture de la cuisine, par Leonard Streel, Lüttich 1604; Internet-Ausgabe www.uni-giessen, Rezept <<140>>.
  5. L’École parfaite des Officiers de Bouche, qui enseigne les devoirs (...), chez Jean Ribou, Paris 1713, S. 177.
  6. L’Escole parfaite des Officiers de Bouche, chez Jean Ribou, Paris 1676, S. 338.
  7. Ehlers, Trude (Hsg.): Küchenmeisterei, Kölner Handschrift bei Peter Wagner um 1485, Frankfurt 2000, S. 278f.
  8. Feyl, Anita: Das Kochbuch Meister Eberhards – ein Beitrag zur altdeutschen Fachliteratur, Dissertation Freiburg i.Br. 1963, S. 99f.
  9. Friedel-Utrecht, Louise-B.-A.: Gründliche Anweisung alle nur denkbaren Conditoreiwaaren selbst zu verfertigen, bei Johann Georg Langhoff, Berlin 1796, S. 39f.
  10. Gilliers, Joseph: Le Cannameliste Français ou nouvelle Instruction pour ceux qui desirent d’apprendre l’Office, chez J.B.H. Leclerc, Nancy 1768, S. 163.
  11. Hagger, Conrad: Neues Saltzburgisches Koch-Buch, bei J.J. Lotter, Augsburg 1719,
  12. kommentierte Neuausgabe durch Hermann Bauer, Salzburg 1976, S. 269.
  13. Kochbuch Meister Hansen des von Wirtenberg Koch, 1460, o.O., unpaginiert. Handschrift der öffentlichen Bibliothek der Universität Basel.
  14. Kochbuch der Sabina Welserin, ca. 1553; Internet-Ausgabe www.uni-giessen, Rezepte <<150>>, <<50>>.
  15. Krackhart, Karl: Neues illustriertes Konditoreibuch, 11. Aufl., Verlag Hch. Killinger, Nordhausen 1921, Tf. 51/52.
  16. Pâtissier françois, chez Iean Gaillard, Paris 1653, S. 168f. (anonym, Varenne zugeschrieben).
  17. Perini, Giacomo: Der Schweizerzuckerbäcker, Verlag Voigt, Weimar 1852, S. 300f.
  18. Massialot, François: Nouvelle instruction pour les confitures, les liqueurs et les fruits“, chez Ch. de Sercy. Paris 1692, S. 186f. Menon: Nouveau Traité de la Cuisine, Bd. 1, chez la Veuve Prudhomme, Paris 1739, S. 273f.
  19. Derselbe: La Science du Maître d’hôtel, Confiseur, à l’usage des Officiers, chez P. du Mesnil, Paris 1750, S. 484.
  20. Platina, Bartholomäus: Von allen Speisen und Gerichten (...), Augsburg 1537.
  21. Rytz-Dick, Louise: Neues Berner Kochbuch, 2. Aufl., bei C. Rätzer, Bern 1836, S. 320; 4. Aufl. 1843, S. 301.
  22. Ryff, Walter: Spiegel und Regiment der Gesundheit, bei Ch. Egenolff, Frankfurt 1544, S. 51f.
  23. Sculty, Terence (Hsg.): The Viandier of Taillevent, 15. Jh., Reprint Ottawa 1988, <<129>>.
  24. Spoerlin, Margarethe: Das Oberrheinische Kochbuch, bei Joh. Rissler, Mülhausen 1811,S. 299.
  25. Staindl, Balthasar: Ein sehr künstlichs und nützlichs Kochbuch, Augsburg 1569, Verlag Bibliophile Drucke Josef Stocker, Dietikon 1979, S. 13, 42.
  26. François Pierre de la Varenne: Le pastissier françois, Paris 1653, S. 168f.
  27. Derselbe: Le vrai cuisinier françois, Nouvelle Edition, Paris 1691, S. 271.
  28. The good huswifes handmaide for the kitchin, London 1594, <<40a.
  29. The perfect cook being the most exact directions for the making of all Pastes (...) by Mounsieur Marette, London 1656, S. 221f.
  30. Vogt, Ernst und Mattle, Josef: Die Schweizer Konditorei, Bd. 2 des Gesamtwerks Die Schweizer Bäckerei und Konditorei, Verlag Ott, Thun 1953, S. 362f.
  31. Weiler, Sophie Juliane: Augsburgisches Kochbuch, 2. Aufl., Joseph-Wolffsche Buchhandlung, Augsburg 1788, S. 606f.

Verwendete Literatur (Auswahl):

  1. Bode, Wilhelm (Hsg.): Goethes Schweizer Reisen, Leipzig 1922, S. 90 (2. Reise 1779).
  2. Brun, Friederike: Reise von Bern über Lauterbrunnen und Grindelwald nach Meiringen (1791), in: Neues Schweitzerisches Museum, Bd. 2, Heft 9, Zürich 1795, S. 660-701.
  3. Dictionnaire culturel en lange française, Paris 2005, S. 1710 (Meringue).
  4. Dictionnaire oeconomique, Supplement Bd. 2, Paris 1741, S. 102 (Office, Officiers).
  5. Diderot & d’Alembert: Encyclopédie ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers, Bd. 12, Neuchâtel 1765, Artikel Patisserie S. 173; Receuil des planches sur les arts et les arts méchaniques, Bd. 8, Paris 1771.
  6. Duvernois, Christian: Trianon – le domaine privé de Marie-Antoinette, o.O. 2008, S. 60.
  7. Encyclopaedia Britannica, Or a dictionary of arts and sciences, Bd. 1, Edinbourgh 1771, S. 557 (Bisket).
  8. Gotthelf, Jeremias: Uli der Pächter, Zürich 1859, S. 348.
  9. Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 2011, S. 743, 782 (Rahm, Sahne), S. 616 (Meringue), S. 83 (Baiser).
  10. Jänicke, Otto: Zur Verbreitungsgeschichte und Etymologie des fr. meringue, in: Zeitschrift für romanische Philologie, Bd. 84/1986, Heft 5/6, S. 558-571.
  11. Kulinarisches Erbe der Schweiz 2008, Artikel „Meringues“. Im Internet unter „Meringues-Produkte“.
  12. Kurz, Gottlieb und Lerch, Christian: Geschichte der Landschaft Hasli, Meiringen 1979.
  13. Meiners, Christoph: Briefe über die Schweiz, Bd. 3, 5. Brief, Tübingen 1791, S. 318.
  14. Morel, Andreas: Zu Tisch – Ein Pot-pourri zur Esskultur aus drei Jahrhunderten, Basel 2013, S. 61f.
  15. Pérouse, Jean-Marie und Polidori, Robert: Versailles, Paris 1991, S. 211f.
  16. Riedhauser, Hans: Essen und Trinken bei Jeremias Gotthelf, Bern 1985.
  17. Scheuchzer, Johann Jakob: Naturgeschichte des Schweizerlandes, Bd. 1, Zürich 1746, S. 61f.
  18. Simpson, A. und Weiners, E.J.C.: The Oxford English Dictionary, Bd. 2, S. 321 (Bisket).
  19. Trésor de la langue française, Bd. 4, S. 48 (Baiser), Bd. 12, S. 440f. (Office, Officiers), Bd. 16, S. 976 (Vacherin).
  20. Wheaton, Barbara Ketcham: L’office et la bouche – Histoire des moeurs de la table en France 1300-1789, University of Pennsylvania Press 1984, S. 138f.
  21. Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache, Bd 4/1901, Sp. 672f. (Nidel); Bd. 10/1930, Sp. 1283 (Meräng).
  22. Wyttenbach, Jacob Samuel: Kurze Anleitung für diejenigen, welche eine Reise (...) über Meiringen machen wollen, Bern 1777, S. 16.
  23. Zweig. Stefan: Marie-Antoinette, Bildnis eines mittleren Charakters, Reutlingen 1981, S. 142.

Mit freundlicher Unterstützung von Albert Spycher-Gautschi
Titel: Ob Sahne-Baiser oder Meringue Chantilly – süsse Verführungen
Autor: Albert Spycher-Gautschi
Copyright: © by Albert Spycher-Gautschi
Bilder: Albert Spycher-Gautschi
gepostet von Albert Spycher-Gautschi am:
Date: 22.12.2013


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Jetzt Neu:
Veranstaltungskalender für Brauchtum und Tradition
Brauchtum - S -
  1. Saatgang
  2. Sabbatarier
  3. Sabbate
  4. Sabbatstag
  5. Safran
  6. Sahne
  7. Sahne-Baiser oder Meringue Chantilly
  8. Saint Nicolas du Port
  9. Sakramentstag
  10. Salate
  11. Salatrauke
  12. Salbei
  13. Salome
  14. Salvator
  15. Salvatoranstich
  16. Salvatorstag
  17. Salz
  18. Samhein
  19. Samichlaus
  20. Samson
  21. Sanddorn
  22. Sandwich
  23. Sangria
  24. Sankt Floriansprinzip
  25. Sankt Galler Biber
  26. Sankt Martin
  27. San Pellegrino
  28. Santa
  29. Santa Claus
  30. Sardelle
  31. Sardine
  32. Sardinen
  33. Satan
  34. Saturn
  35. Saucen
  36. Sauerampfer
  37. Sauerbraten
  38. Sauerkraut
  39. Sauerkraut, geschmort
  40. Sauerteig
  41. Sauhaxnopfer
  42. Sauschädelball
  43. Schabab
  44. Schabernack
  45. Schäferlauf
  46. Schafabtrieb
  47. Schafskälte
  48. Schafskäse
  49. Schalk
  50. Schandmaien
  51. Scheibenfeuer
  52. Scheibenschlagen
  53. Schelle
  54. Schellenrühren
  55. Scheller
  56. Schellerlaufen
  57. Schelm
  58. Schemenlaufen
  59. Scherz
  60. Schiffchensetzen
  61. Schifferstechen
  62. Schiffsprozession
  63. Schimmel
  64. Schimmelreiten
  65. Schinken
  66. Schlachten
  67. Schlachtfest
  68. Schlagsahne
  69. Schlaraffenland
  70. Schleicher
  71. Schleicherlaufen
  72. Schlenkeltage
  73. Schmachtlappen
  74. Schmachtriemen
  75. Schmackoster
  76. Schmagoster
  77. Schmalhans
  78. Schmalz
  79. Schmalzgebäck
  80. Schmalziger Samstag
  81. Schmalzstullen
  82. Schmeer
  83. Schmied
  84. Schmoizada Samsda
  85. Schmuckmadonna
  86. Schmutziger Donnerstag
  87. Schmutzli
  88. Schnabeltasse
  89. Schnadegang
  90. Schnappertag
  91. Schneebälle
  92. Schneeläuten
  93. Schneemann
  94. Schneewittchen
  95. Schnitterin
  96. Schnitterinnenfest
  97. Schnittlauch
  98. Schönecker Eierlage
  99. Schokolade
  100. Schokoladenbrot
  101. Schornsteinfeger
  102. Schröter
  103. Schülerbischofspiel
  104. Schützen
  105. Schützenbrauchtum
  106. Schützenfest
  107. Schützentanz
  108. Schuplatteln
  109. Schuhwerfen
  110. Schultüte
  111. Schuster
  112. Schuster Jahrtag
  113. Schutzengel
  114. Schutzengelfest
  115. Schwalbe
  116. Schweinebraten
  117. Schweißtuch der Veronika