1500 Jahre „Remigius"
Die Taufe Chlodwigs im Jahr 496 veränderte das Abendland
Von Joachim Schröder
Es ist gewiß mehr als ein allgemeiner Hinweis: Im Bistum Trier gibt es in der Tat 18 Remigius-Patronate. Öfter ist kein zweiter Namensgeber für Kirchenpatrozinien zu finden. Als „Apostel der Franken" ging Remigius aus Reims in die Geschichte des Abendlandes ein, als Wegbereiter des christlichen Gedankengutes und geistiges Bollwerk gegen den möglichen Übergriff der Araber. Aus heutiger Sicht kann der bedeutende Reimser Bischof sogar als Patron Europas gelten, denn in der gemeinsamen Kultur- und Religionslandschaft Frankreich/ Deutschland findet er gleichermaßen Anerkennung. Kein Wunder also, daß Remigius hüben wie drüben in der christlichen Kirche als Patron so oft genannt wird.
Obwohl es mit Sicherheit volksbekanntere und -beliebtere Heilige gibt, kann das „Werk" des heiligen Remigius nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die geschichtlich weltbedeutende Tat, die Taufe des Frankenkönigs Chlodwig im Jahre 496, brachte den Durchbruch des Christentums auf dem westeuropäischen Kontinent, kurz bevor die Araber die Islamisierung einleiten wollten.
Geboren wurde Remigius um 436 bei Läon in Frankreich. Im Alter von erst 22 Jahren wurde er zum Bischof von Reims ernannt. Unermüdlich wirkte derjunge Kirchenmann in den folgenden Jahren für die Ausbreitung des Christentums in Gallien. Ein herzliches Verhältnis entwickelte sich zwischen dem Reimser Bischof und dem Frankenkönig Chlodwig sowie dessen Gattin Chlothilde. Am Weihnachtsfest des Jahres 496 ereignete sich dann jene Heilstat, als Chlodwig und mit ihm 3 000 Menschen den christlichen Glauben annahmen und damit in Europa die Grundlage schufen für eine abendländisch-christliche Kultur und Tradition. Auf Remigius gehen auch die Gründungen der Bistümer Läon, Arras, Therouanne und Tournai-Cambrai zurück. Remigius starb nach einem erfüllten Leben im Alter von 96 Jahren 533 in Reims. Die Gebeine des großen Bischofs wurden am 1. Oktober 1049 erhoben. Das herrliche Mausoleum des Remigius befindet sich in der Basilika St-Remi in Reims. Es ist mit Statuen aus dem 16. Jahrhundert geschmückt. Der Schrein ist eine aufwendige Goldarbeit. Durch eine Lichtkrone im Gewölbe des Kirchenschiffs dringt das Tageslicht durch 96 Öffnungen ein, symbolisch für das Lebensalter des Heiligen.
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Vielerorts wird des hl. Remigius am 1. Oktober gedacht. Im Köln-Trierer Raum hieß der I . Oktober früher „St.-RemeisDaach"; er war Frist- und Zahltag. Den Oktober nannte man auch „Remeismonat", ein Zeichen dafür, wie beliebt der Bischof in der Rhein-Eifel-Mosel-Region war.
Eine der häufigsten Darstellungen zeigt den Heiligen bei dem Taufakt an Chlodwig. Häufig wird er mit einem Ölgefäß dargestellt, der „Sainte Ampoule". Nach der Legende soll eine Taube darin das Chrisam für die Taufe vom Himmel gebracht haben. Tatsächlich wurde durch Jahrhunderte ein Ölfläschchen zur Salbung der französischen Könige benutzt. Es befindet sich heute im Kirchenschatz von Reims.
Eine besondere Verehrung genießt der Heilige in dem Eifeldorf Pronsfeld. Hier sind eine Straße, ein Brunnen, die Schule und beide Kirchen nach dem hl. Remigius benannt. Im Jahre 1953 entdeckte man in der alten Urkirche an der Nordwand des Ostchores ein Freskenbild, das den Kirchenpatron darstellt. Er sitzt unter einem Baldachin, angetan mit Mitra und weitem, braunrotem Mantel, die rechte Hand auf den Kopf eines Mannes gelegt. Auch hier handelt es sich um die Taufszene von 496. Auch in der neuen Pfarrkirche und an der Westseite der Grundschule ist dieser Taufakt dargestellt. Aus Anlaß der Brunnenweihe auf dem Kirchplatz im Jahre 1988 wurde folgende (Pronsfelder) Legende über Remigius veröffentlicht, die gewiß einiges über die Geschichte der Missionierung im Eifelraum aussagt:
„Nachdem der hl. Remigius als Bischof von Reims den Frankenkönig Chlodwig getauft hatte, wollte er auch die anderen Frankenstämme, die noch nicht getauft waren, zum Christentum bekehren. So zog er durch die Gebiete, die die Franken bewohnten, und kam auch einmal von Reims her durch die Wälder der Ardennen in die Eifel.
Damals lebten noch wenige Menschen in diesem von Wäldern bedeckten Land und Dörfer bestanden nur aus wenigen, kleinen Hütten. An einem heißen Sommertag kam er auf seiner Wanderschaft in den kleinen Weiler Prumizfelt, was soviel bedeutet wie Feld an der Prüm'. Der hl. Remigius war sehr müde, und er war sehr froh, als er hier unter hohen Bäumen eine sprudelnde Quelle fand, an der gerade zwei Kinder spielten. Sie ließen sich das klare Wasser durch die Hände rinnen und über die Köpfe plätschern. Der Heilige legte den Bischofsstab, seine Mitra und die Bibel am Brunnenrande ab und zog sich die Sandalen aus, um seine Füße zu kühlen. Attch der Hund, der ihm auf seinen vielen Reisen ein treuer Begleiter war, freute sich über die Rast und legte sich an das Wasser. Da die Leute in Prumizfelt sehr aufgeschlossen und freundlich waren, blieb Remigius noch einige Tage. Er taufte viele Menschen und zog dann weiter durch das Frankenreich. Zu Ehren des hl. Remigius errichteten die Leute aus Pron.sfeldso hieß der Ort später - eine Kirche, und an dem Platz, an dem der hl. Remigius gerastet hatte, wurde im Jahr 1988 ein Brunnen errichtet.
Soweit die ,Legende', die bei der Betrachtung des Brunnens entstand. Geschichte ist, daß der alte Ort Prumi felt von Franken besiedelt wurde und eine der Urpfarreien unserer Heimat ist. Seit Beginn der schriftlichen Aufzeichnungen wird der ltl. Remigius als Patron genannt, ein Zeichen dafür, daß unsere Pfarrei sehr alt ist. Der hl. Remigius lebte von 436 bis 533 und war Bischof in Reims. Er taufte am Weihnachtsfest 496 den Frankenkönig Chlodwig und dessen Untertanen. Im Laufe seines Bischofsamtes unternahm er viele Reisen durch das Land der Franken und es wäre doch immerhin denkbar, daß er auch einmal in Prumizfelt rastete. "
(Aus der Gemeindebroschüre, herausgegeben 1988 aus Anlaß der Eröffnung des „Remigiusbrunnens").
Ruine der Remigiuskirehe heute
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Neue Remigius-Pfarrkirche (seit 1921)
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Aus dem Buch „Brauchtumslandschaft Eifel"
Wie aus verschiedenen Kapiteln zu ersehen ist, gibt es bei den traditionellen Brauchhandlungen wie etwa St. Martin, Fastnacht, Kirmes oder Fronleichnam bisher nur geringe Einbußen an Brauchtumsinhalten. Hier haben sich im Kern die wesentlichen Elemente erhalten. Kleinere Veränderungen an Methoden oder technischen Vorgaben sind hinzunehmen und kosten den Brauch kaum essentielle Abzüge. Träger dieser teils vollkommenen Brauchtumshandlungen sind bis heute vielfach dieselben geblieben: es handelt sich zumeist um kirchliche Gruppen, Vereine oder dörfliche Veranstalter.
Mit der zunehmenden Entleerung der Kirchenräume, ja sogar verschiedentlicher Austritte aus der Kirche selbst in unserer ländlichen Gegend, sind folgerichtig einige Bräuche gekürzt oder inhaltlich verändert worden. So findet beispielsweise der Blasiussegen nicht mehr in jedem Falle statt, wegen des Mangels an Priestern auch öfters in Form einer Generalspende. Auch die Segnung der Kräuter am Fest Mariä Himmelfahrt oder die Kerzenweihe am Lichtmeßtag sind nur noch selten üblich. Die Spendung des Aschenkreuzes ist weiterhin beliebt, der Besuch des Gottesdienstes am Aschermittwoch dagegen rückläufig.
Ähnlich sieht es aus, wenn wir jahreszeitlich geprägte, traditionell bäuerliche Bräuche aus heutiger Sicht untersuchen. Die technische Revolution auf dem Bauernhof und das Sterben von ganzen Gehöften sind eine Ursache für den starken Rückgang vieler ländlicher Bräuche. Der Einzug der Medien in die letzten Bauernstuben und moderne Wetterbefragungsmethoden lassen kaum noch Raum für alte überlieferte Traditionen. Der Glauben an die Abwehrkräfte des Palmwischs oder des Johanniskranzes und der Aberglaube der Fruchtbarkeitskulte fielen den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft zum Opfer. Verkürzt kann man vielleicht sagen: Was kann eine brennende Kerze gegen einen Blitzableiter ausrichten? Heute, da die elektrische Christbaumbeleuchtung und glitzerndes Gefunkel am Fensterrahmen die wundersam brennenden und duftenden Wachskerzen längst verdrängt haben.
Damit einhergeht wie selbstverständlich der Rückzug traditioneller Musik, besonders des häuslichen Gesanges. Statt Adventslieder und Hausmusik lockt da eher das Rockkonzert mit kreischendem Jungvolk oder statt des Kirmestanzes die Disco.
Der Glaube an die Allmacht der Wetterregeln, in Jahrhunderten systematisch notiert und organisch zu einem Bauernkalender gewachsen, ist fast gänzlich verschwunden. Zwar registriert man die Eisheiligen, wenn unerwartet die Maifröste einsetzen, aber die überzeugende Kraft des „Glaubens" ist verlorengegangen. Lichtmeß und Johannistag, Allerheiligen und St. Martin haben als Los- und Fristtag keine Bedeutung mehr. Wofür auch? Eine diesbezügliche Orientierung ist nicht mehr nötig. Da gibt es schon andere Orientierungshilfen im Kalender: Sommerfest, Motorradrennen, Flohmärkte und regionale Ausstellungen.
Zumindest im bäuerlichen Umfeld erinnert man sich der Bittgänge und Wallfahrten, die früher für jeden Menschen „Pflicht" waren. Geblieben ist lediglich die streng organisierte Fronleichnamsprozession mit Straßensperren und Lautsprecher; für manche vielleicht die Gelegenheit, mal wieder „ins Gespräch" zu kommen oder frische Luft zu tanken.
Doch nicht nur von Verkümmerung, Entleerung und dem Aussterben gewisser Normen und Werte wollen wir hier reden. In den letzten Jahrzehnten haben sich auch neue Bräuche herausgebildet; ebenso wie neue Formen des Umgangs miteinander oder Neuorientierungen in sozial-kultureller Sicht. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang das soziale Engagement verschiedener Gruppen und Vereine. Veranstaltungen der Frauengemeinschaft wie zum Beispiel Adventsbasare oder der Verkaufsstand in der Kirche für die Dritte Welt verdienen großen Respekt.
Ebenso Aktionen zugunsten bestimmter Förderprojekte im eigenen Umfeld, z. B. für die Sanierung eines Denkmals, strahlen positiv aus, bilden Gemeinschaft, „Teamgeist" und zeugen von Kreativität. Theater- und Heimatabende erfüllen einen durchaus hohen Anspruch und finden viel Zuspruch. Das kulturelle Bild der Dörfer ist vielfältiger und auch diffuser geworden. Differenzierung und Beschränkung nach dem Motto „Weniger ist mehr" tut im Hinblick auf die Vielzahl der „offenen" dörflichen Feste not.
Wie zu ersehen ist, sind gewisse Brauchtumsträger neu entstanden. Auch haben sich Bräuche auf andere Träger verlagert, um der Organisation und der Perfektion willen. Wo früher Spontaneität und lockeres Beisammensein gefragt war, dominiert heute das Management. Der Martinstag ist eine Veranstaltung der Schule, das Maibaumstellen Sache des Gemeindearbeiters oder Bauhofes, die Bewirtung beim Sportfest Angelegenheit der Feuerwehr.
An die Stelle gewisser Feiertage, die, wie Fronleichnam, einst mit viel gesellschaftlichem „Beiwerk" vermischt waren - man traf sich zu gemeinsamer Vorbereitung und geselligem Abschluß - ist heute häufig ein Ersatz getreten: das Reisen. Ausflüge und Fahrten, organisiertes Wandern mit Grillpartys haben Konjunktur. In unserer Zeit mit Billigangeboten nach Mallorca und Florida bleibt kaum noch Platz für die Pflege des heimischen Brauchtums und der Kultur. Das Fernsehen ersetzt nicht nur das Familiengespräch, die nachbarschaftliche Kommunikation oder das Begegnen unter der Dorflinde. Es verdrängt auch traditionelle Brauchtumspraktiken: das Eierfärben vor Ostern, den häuslichen Krippenbau oder das Nähen der Fastnachtskostüme. Eier gibt es im Supermarkt, Krippen per Otto-Versand und Kostüme im Verleih.
Als neue Träger haben sich neben Vereinen die Gemeinde, Pfarreien, Schulen, Kindergärten, Förderkreise und Frauengemeinschaften herausgebildet. Vielfach haben diese Vereinigungen jedoch nicht die Traditionspflege auf ihre Fahnen geschrieben, sondern verfolgen wohltätige oder gemeinnützige Zwecke. Geschichts-, Wander- und Heimatvereine werden dem Anspruch der Brauchtumspflege wenigstens teilweise gerecht.
Mit freundlicher Unterstützung von Joachim Schröder
Titel: Remigius von Reims
Autor: Joachim Schröder
Copyright: © by Joachim Schröder
gepostet von Joachim Schröder am:
Date: 02.09.2008 21:30
Internet: www.joachim-schroeder.com
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