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Osterlämmer
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Osterlämmer - von Albert Spycher-Gautschi

Zweiteilige Keramik-Backformen aus Soufflenheim, Ende 19. Jahrhundert. Der Gedanke an diesen Beitrag reifte auf Flohmärkten und mit der Erkenntnis, dass Jahrzehnte lang zusammengetragenes Sammelgut immer seltener anzutreffen ist. Zu den wohlbehütetsten Raritäten beim Verfasser gehören metallene Giessformen von Anton Reiche in Dresden zum Ausgiessen von Schokolade-Osterlämmern und Backformen für Biskuit-Osterlämmer aus unterelsässischen Töpfereien. Während sich diese seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert bzw. seit Ende des 19. Jahrhunderts nachweisen lassen, führt die Geschichte des Lamms - dem Jungtier des Schafs - als Naturalzins, Geschenk oder als Osterspeise bis ins Mittelalter zurück. Zubereitetes Schaf- und Ziegenfleisch gehört zu den tierischen Produkten, über die der St. Galler Mönch und Gelehrte Ekkehart IV. in seinen Segnungen der Speisen (benedictiones ad mensas, 1030 n.Chr.) den Tischsegen sprach.

Agnus Dei als Tortenaufsatz, um 1910. Zu Ende des 12. Jahrhunderts genossen die Domherren des Basler Bischofshofs an vier Weihnachts- und Osterfeiertagen opulente Mahlzeiten, wobei mittags neun Gänge gereicht wurden. An Ostern kam anstelle des Rindfleischs "Lammfleisch mit Eiern, welche in Schweinefett gebraten waren" zu Tische. Obrigkeitliche Erlasse verboten den Metzgern, auf die Feiertage hin Preistreibereien anzustellen. Den Bürgermeistern wurden "2 Lember", den Ratsherren "1 Lamb" verehrt. Wahlweise konnte auch der Geldwert ausbezahlt werden. Ein Jahrhundert später kamen die Osterlämmer aus dem nahen südbadischen Istein, das auch prächtige Rheinlachse lieferte. Um 1460 brachten Angehörige des Leutpriesters von Weil am Rhein jeweils ein Osterlamm zum Hauptsitz des Bistums Basel im jurassischen Pruntrut (Porrentruy) und erhielten von Bischof Johannes von Venningen ein ordentliches Trinkgeld. Pâtissier Pascal Malyszka, Vieux-Ferrette (F) mit seinen Produkten Laut den Basler Spitalrechnungen 1521-1534 kaufte man auf den Osterabend "7 lamber beÿ den besten". Von diesen zehrten sowohl die Spitalbeamten als auch die Kranken. Die bettelarmen Barfüssermönche hingegen erhielten "ein ganz lämplÿ und 12 fladen". Strassburger Stadtrechte berichten, dass die Pflegherren des "Frauenwerks" (Maison d'oeuvre) um 1322 an Ostern zweihundert Eier und zwei Lämmer zugute hatten. Dass jene Geschenke im Zeitalter der Reformation auf Betreiben des Strassburger Münsterpredigers Johann Conrad Dannhauer zunehmend in Verruf kamen, bekam ein reformierter Basler Geistlicher zu spüren, der seinen Lammbraten nicht an seiner Wirkungsstätte im "Siechenhaus" zu St. Jakob verzehren durfte, sondern ein Wirtshaus aufsuchen musste.

Züricher ”Tirggel”-Modelabdruck, 17. Jahrhundert. Im Gefolge der im 16. Jahrhundert einsetzenden Ratgeberliteratur (Hausväterliteratur) entwickelte sich eine bedeutende Kochbuchkultur mit klingenden Namen, wie Franz de Rontzier (1594), Marx Rumpolt (1581), Anna Wecker (1598) oder Abt Bernardin Buchinger (1697), deren Werke Fleischgenüsse verschiedenster Art einer bereiteren Gesellschaft zugänglich machten. Das saftige "Gigeot d'agneau" (Lammkeule) ist im Zeitalter der Tiefkühlkost zum Ganzjahresartikel geworden. Der Ostergabentisch hingegen ist ohne ein Biskuit-Osterlämmchen als Symbol für das "Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt" sowie mit einer Siegesfahne als Zeichen der Auferstehung Jesu Christi nicht komplett.

Einsiedler Wallfahrtsgebäck Das Musée Alsacien in Haguenau zeigt die einteilige, um 1800 hergestellte Osterlamm-Backform eines ortsansässigen "potiers". In Soufflenheimer Töpfereibetrieben setzte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhhunderts die serienweise Fertigung zweiteiliger und mit einer Klammer verschliessbarer Keramikmodel ein. Bei Angeboten in Antikläden und auf Flohmärkten ist Vorsicht angesagt. Obschon der Verfasser beim Kauf zweier alter Formen auf Passgenauigkeit achtete, muss der Zusammenschluss der beiden Hälften abgedichtet werden, damit kein Teig ausläuft (Bild 1). Frühe Rezepte zur Herstellung von "Biscuit-Lämmern" finden sich im 1890 erschienenen "Handlexikon der Conditorei" des Basler Conditors J.H. Wirz-Fischer, der sich auf ältere Ausgaben Karl Krackharts "Neues illustrirtes Conditorei-Buch" stützte. Beide Autoren versahen ihre überzuckerten Produkte mit Augen und Ohren aus Tragant (pflanzliches Bindemittel zur Herstellung von Modelliermassen) und schmückten sie mit blauen und roten Bändern. Schokolade-Ei aus der Hand des Konditormeisters Markus Krebs, Basel. In posthumen Krackhart-Ausgaben zu Anfang des 20. Jahrhunderts erscheint das Biscuitlamm als Aufsatz einer vierstöckigen Ostertorte (Bild 2). Der Wettbewerb der heutigen Konditor-Confiseure und Grossverteiler um die Osterlämmer ist gross. Ein Spitzenerzeugnis findet sich ausgerechnet ausserhalb der städtischen Agglomeration im elsass-sundgauischen Vieux-Ferrette (Altpfirt). Wenn die Osterwochen nicht zu warm sind, gibt Meister Pascal Malyszka ("La Mignardise") seinen Lämmern einen Boden aus Schoko-Couverture (Bild 3). Des weiteren findet sich das Lammgottes-Motiv auf einem Holzmodel aus dem 17. Jahrhundert für die Herstellung des "Tirggel", einem honigreichen Flachgebäck aus der Limmatstadt Zürich (Bild 4). Erwähnenswert ist auch althergebrachtes Wallfahrtsgebäck aus Einsiedeln, dem bedeutendsten Gnadenort der Schweiz. Dort stellt die Bäckerei "Goldapfel" gefüllte Lebkuchen, Kräpflein sowie in Mödeln ausgedrückte und im Volksmund "Schafböcke" genannte Gebildlebkuchen her, das Lammgottes auf einem Rasen darstellend (Bild 5).

Agnus Dei als Wachsabguss aus einer Schokolade-Giessform. Abschliessend zwei Beispiele von Schokolade-Giessformen aus der Sammlung des Verfassers: In der aus Weissblech gestanzten Osterei-Hälfte streicht man zuerst das Lamm-Motiv mit weisser Schokolade aus, worauf der ganze Hohlraum mit Schoko-Couverture aufgefüllt und wieder entleert wird (Bild 6). Ähnlich verfährt man mit der aus Kupfer gefertigten und verzinnten zweiteiligen Osterlamm-Giessform. Diese wurde auf unserem Bild mit Bienenwachs ausgegossen (Bild 7) und erinnert an Wachsvotive, wie sie schon im frühen Christentum gebräuchlich waren.

Bildlegenden: (© Albert Spycher-Gautschi)

  1. Zweiteilige Keramik-Backformen aus Soufflenheim, Ende 19. Jahrhundert.
  2. Agnus Dei als Tortenaufsatz, um 1910.
  3. Pâtissier Pascal Malyszka, Vieux-Ferrette (F) mit seinen Produkten.
  4. Züricher "Tirggel"-Modelabdruck, 17. Jahrhundert.
  5. Einsiedler Wallfahrtsgebäck (links "Schafböcke").
  6. Schokolade-Ei aus der Hand des Konditormeisters Markus Krebs, Basel.
  7. Agnus Dei als Wachsabguss aus einer Schokolalde-Giessform.

Empfohlene Literatur (Auswahl):

  1. Fechter, D.A.: Basel im vierzehnten Jahrhundert, Basel 1856.
  2. Egli, Johannes: Der Liber Benedictionum Ekkeharts IV, St. Gallen 1909.
  3. Fuhrmann, Bernd: Die Rechnungen der Hofschaffnei Basel 1475/76, Jahrbuch für Regionalgeschichte und Landeskunde 20(1995/96).
  4. Hirsch, Volker u. Fouquet, Gerhard: Das Haushaltbuch des Basler Bischofs Johannes von Venningen, Basel 2009.
  5. Klein, Georges: Poteries populaires en Alsace, Rosheim 1989.
  6. Nabholz-Kartaschoff, Marie-Louise (Hsg.): Töpferei in Soufflenheim (Bas-Rhin), in:
    Basler Geographische Hefte 3(1973).
  7. Schuh, Gotthard: Tirggel - ein altes Weihnachtsgebäck, Zürich 1941.
  8. Pfleger, Alfred: Zur Geschichte der Ostereier im Elsass, in: Elsassland 13(1933).

Mit freundlicher Unterstützung von Albert Spycher-Gautschi
Titel: Osterlämmer
Autor: Albert Spycher-Gautschi
Copyright: © by Albert Spycher-Gautschi
Bilder: Albert Spycher-Gautschi
gepostet von Albert Spycher-Gautschi am:
Date: 29.03.2012

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