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Appenzeller Biber, Biberfladen und Verwandtes
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Appenzeller Biber, Biberfladen und Verwandtes - Von Albert Spycher-Gautschi, Basel

Aus der Modelsammlung der Konditorei Ruckstuhl in Trogen. - Klick mich zum vergrössern In einer speziellen Brauchtumsseite befassten wir uns mit der Lebkuchenspezialität des Ostschweizer Kantons St. Gallen - dem gemodelten und mit hochfeiner Mandelmasse gefüllten "Biber". Hier geht es um Verwandtes in den Nachbarkantonen Appenzell Inner- und Ausserrhoden. Die nächstgelegene appenzellische Konditorei mit Bibern im Schaufenster ist vom Stadtzentrum St. Gallen in wenigen Autominuten oder Bahnstationen zu erreichen. Manche fragen nach dem Unterschied zwischen St. Galler und Appenzeller Bibern. Kenner glauben Geschmacksnuancen zu erkennen, doch zeigen sich die Unterschiede eher in äusserlichen Merkmalen.

Im Vergleich zu den St. Galler Berufskollegen verwenden die Hersteller im Appenzellerland eine grössere Vielfalt an lokal- und regionaltypischen Modelmotiven - das ausserrhodische Regierungsgebäude in Herisau etwa, oder das "Wildkirchli", eine vielbesuchte Einsiedelei im Säntisgebirge. (Bild 1) Beliebt ist auch Darstellung von Sennen und Appenzeller Handstickerinnen. Holzbildhauer Hans Neff in Urnäsch. - Klick mich zum vergrössern Eine Gemeinsamkeit bildet der aufrecht nach links marschierende Bär, Wappentier der Stadt St. Gallen wie auch der Appenzeller Kantone. Das Modelschnitzen gehörte in früheren Zeiten zur Ausbildung der Lebküchnergesellen und wurde nach dem Aussterben dieses Berufs immer weniger von Konditoren und Confiseuren praktiziert. Der zunehmende Bedarf an hölzernen Bibermodeln führte dazu, dass die Holzbildhauer unter dem Preisdruck des Bäckerei-Fachhandels mittelmässige Ware herstellten. Zwei Holzbildhauer und Modelstecher setzen sich jedoch bis heute mit Qualitätsprodukten durch - die Brüder Guido Neff in Appenzell und Hans Neff im ausserrodischen Urnäsch. Ihre scharfkantig, tief und konkav geschnittenen Birnbaumholz-Negative ermöglichen ein leichtes Herauslösen des Teigs und hinterlassen konturenreiche Reliefs.(Bild 2)

Biberfladen zum Kaffee. - Klick mich zum vergrössern Wie bei den St. Galler "Bibenzelten", kennen wir die Geschichte der Appenzeller Lebkuchenarten nicht etwa aus Herstellerkreisen, sondern aus Rats- und Gerichtsakten. So durften anno 1645 die Innerrhoder Wirte keine "Bibenzeltenkrämer" hereinlassen, und im äusseren Landesteil war das Verteilen von Bibenzelten an Hochzeitsmählern verboten. Dort war das "Biber umlegen" ("Biber omlegge") bis in die neuere Zeit ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Dabei verteilte jemand Bibenzelten an die Herumstehenden. Wer als letzter an die Reihe kam, musste das Ganze bezahlen.

Eindeutig appenzellischen Ursprungs ist der "Biberfladen" - ein kreisrunder, bis zu 3 Zentimeter hoher Lebkuchen aus einem Teig von Weiss- oder Dinkelmehl, Eiern, Milch, Triebsalz und einer vom jeweiligen Hersteller geheim gehaltenen Würzmischung. Vor dem Backen wird der Teigling mit Kartoffelstärkelösung oder Milch bestrichen und mit einer Gabel mehrfach gekreuzt. Kenner schneiden den Biberfladen auf, bestreichen ihn mit herrlicher Alpbutter oder tunken ihn in den heissen Kaffee - ein Schlemmerleben!(Bild 3) Insider bestehen darauf, der Biberfladen enthalte keine Füllung, und wenn doch, eine streichbare Masse aus gerösteten Haselnüssen. Ähnlich verhält es sich mit den Appenzeller "Biberli" und "Leckerli", mundartlich ohne "r" als "Bibeli ond Leckcheli" ausgesprochen - zwei Lebküchlein aus einunddemselben Teig. Beide sind langrechteckig, das Biberli ist jedoch etwas kleiner als das Leckerli und hat einen gezackten Rand.

Leckerli zum Knuspern oder zum Ausbacken. - Klick mich zum vergrössern Wenn die Innerrhoder Stimmbürgerinnen und Stimmbürger am letzten Aprilsonntag auf dem Landsgemeindeplatz zu Appenzell in direkter Demokratie ihre Bürgerpflicht verrichtet haben, strömen viele in die Konditoreien, um den Lieben zu Hause einen "Landsgemeindekram" mitzubringen - Biberli, Leckerli und "Chrempfli". Letztere sind nierenförmige Kräpflein aus Zucker-Eier-Teig und feiner Haselnussfüllung. In Herisau dagegen nimmt Gross und Klein am Aschermittwoch mit dem "Gidio-Hosestooss-Umzug" Abschied von der Fastnacht. Bei dieser Gelegenheit werden Leckerli zu Tausenden an die Kinder verteilt. Manches dieser Lebküchlein erfährt zu Hause eine Veredelung als "Bacheschnette" (gebackene Schnitte). Diese wiederum sind im Appenzeller- wie im St.Gallerland bekannt. Die Grossmutter des Verfassers dieser Brauchtumsseite tauchte sie im Pfannkuchenteig, backte sie in Butter aus und servierte sie am Waschtag mit Zimtzucker bestreut zu Käseküchlein und Kaffee.

Zu Bacheschnette nehme man
für den Leckerliteig: 625 Gramm Mehl, 250 Gramm Zucker, 500 Gramm Honig, 20 Gramm Zimt, 5 Gramm Nelken, etwas Muskatnuss.
Für den Ausbackteig: 250 Gramm Mehl, 2 Deziliter Milch, 2 Deziliter Rahm, 2 geschwungene Eiweiss, Salz, Fett zum Ausbacken, Zimtzucker zum Bestreuen.

Anstelle der Leckerli kann man auch in Biberfladen fingerdicke Streifen schneiden und im Pfannkuchenteig ausbacken.

Bildlegenden: Sämtliche Aufnahmen von Rosmarie Spycher-Gautschi, Basel

  1. Aus der Modelsammlung der Konditorei Ruckstuhl in Trogen.
  2. Holzbildhauer Hans Neff in Urnäsch.
  3. Biberfladen zum Kaffee.
  4. Leckerli zum Knuspern oder zum Ausbacken.
  5. Umschlagbild zum "Ostschweizer Lebkuchenbuch"

Empfohlene Literatur:

  1. Hans Kaspar AG: Lebkuchen, Zürich 1946
  2. Inge Weibel-Gemsch: Das Kochbuch aus der Ostschweiz, Münster/Zürich 1978
  3. Albert Spycher: Das Ostschweizer Lebkuchenbuch, Herisau 2000.

Titel: Appenzeller Biber, Biberfladen und Verwandtes
Autor: Albert Spycher-Gautschi, CH-4055 Basel
Copyright: © by Albert Spycher-Gautschi, Basel
gepostet von Albert Spycher-Gautschi am:
Date: 01.09.2009 07:42

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