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„Crèfli“ und „Panspezie“
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„Crèfli“ und „Panspezie“ - Traditionsgebäcke aus dem Tessin, der Sonnenstube der Schweiz

Text und Fotos: Albert Spycher-Gautschi, Basel

Crèfli und Panspezie Ferienhungrige, die aufatmend das Südportal des St. Gotthard-Autobahntunnels gen Süden verlassen oder in umgekehrter Richtung davor im Stau stecken, kümmert wohl wenig, dass der Autobahnbau in der Leventina, dem Tal des jungen Tessinflusses, den Lebensnerv zu lähmen begann. Die für 2017 geplante Eröffnung des längsten Eisenbahntunnels der Welt wird die Talschaft vor neue existenzielle Probleme stellen. Diese pittoreske Gegend mit ihren beeindruckenden Schluchten, historischen Stätten, Geschichtslehrpfaden, schmucken Dörfern, Bergwander- und Biker-Routen lädt zum Verweilen.

Bäckereien von Airolo, Piotta, Faido, Chiggiogna, Bodio, Pollegio wie auch andernorts führen Backwaren, die vor Zeiten in den Bauern-, Industriearbeiter- und Eisenbahnerfamilien zu Weihnachten und Neujahr oder an Kirchweihfesten hergestellt wurden - "Crèfli" und "Panspezie" mit Zutaten aus eigenem Boden wie Mehl, Milch, Alpbutter, Bienenhonig, Nüssen und Grappa (Traubentresterschnaps). Bloss das Kirschwasser musste von "oltre San Gottardo" - von jenseits des Gotthards - beschafft werden.

"Crèfli"
Der Gebäckname "Crèfli" (sprich: Krefli) entstammt dem deutschschweizerischen "Kräpfli" (Kräpflein, Krapfen) und gelangte via Gotthardverkehr in die Mundart des italienischsprachigen Tessins und steht für ein knuspriges, von Form und Biss her an Sablégebäck oder Spekulatius erinnerndes Biskuit. Mittelalterliche Kirche San Nicolao in Giornico Die für vier Personen berechneten Zutaten sind 750 g Mehl, 75g Butter, 250 g Zucker, Vanillepulver, 100 g Honig, 1 1/2 dl Milch, Backpulver, Grappa oder nach Belieben auch Anislikör. Die bis zu spielkartengrossen Leckereien werden mit dem Teigrädchen vom ca. 5mm dick ausgewallten Teig abgetrennt oder in Holzmödeln ausgedrückt, auf ein gefettetes Blech gelegt und bei 200° goldgelb gebacken. Angesichts ihres Gehalts sind Crèfli mehr als blosse Knabberei, man kann sie sich gut zum Proviant auf einer Bergwanderung vorstellen.

"Panspezie" - "Spampezie"
Die Bezeichnung "Panspezie" (Singularis: "Panspezia") wird in örtlichem Sprachgebrauch und mundartlicher Lautmalerei in "Spampezie" umgewandelt. Diese bis zu einem halben Pfund schwere Köstlichkeit aus butterreichem Mürbeteig und leckerer Füllung lässt sich mit "Gewürzbrot" nur ungefähr übersetzen. Nach den im Talmuseum in Giornico aufbewahrten Holzmodeln reicht ihre Geschichte ins tiefe 18. Jahrhundert zurück. Als im 19. bis ins 20. Jahrhundert hinein viele Talbewohner auswanderten, sandte man ihnen "Crèfli" und "Spampezie" zur Erinnerung an die alte Heimat nach Übersee. Die Ersteren sind lange haltbar - wie die butterigen "Spampezie" nach langer Reise schmeckten, bleibe dahingestellt. Das Brauchtum geriet mit der Zeit ins Hintertreffen und wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von traditionsbewussten Hausfrauen und initiativen Bäcker-Konditormeistern wiederbelebt. Der Tessiner Schriftsteller Guido Calgari schrieb in dichterischer Verklärung, in der "Panspezia" verbänden sich Küche, Kunst, Tradition und Religion und fuhr fort (freie Übersetzung): "Sie besteht aus zwei dünnen Schichten von geriebenem Teig, zwischen die eine Füllung von gehackten Nüssen, Honig, Likör und Butter gebracht wird. Diese Masse wird leicht geröstet, worauf man man die erste Teigschicht auf den Holzmodel legt. Mit Fingerspitzengefühl drückt man den Teig in die Einkerbungen, gibt die Fülle dazu und legt die zweite Teigschicht darüber. Der den Modelrand überlappende Teig wird abgeschnitten und das Ganze in den Ofen gegeben. Panspezie-Model Die fertiggebackene 'Spampezia' wird mit einem Spachtel mit Eiweiss bestrichen. Dieser glänzende, glasartige Schmelz macht sie lieblich und vornehm. Die Jahrhunderte alten Model gehören in jedem Haushalt und in jeder Bäckerei zum bestgehüteten Inventar. Sie wurden von unbekannten Handwerkern oder Modelstechern geschnitzt und zeigen Szenen aus dem Evangelium - die Hochzeit der Jungfrau Maria, die Heilige Nacht - aber auch Bergblumen, Tiere und Herzen."

Ein Bäckermeister in Giornico erzählte, dass einige Privatleute in Konkurrenz zum Gewerbe an Märkten und Festveranstaltungen selbstgemachte "Panspezie" abzusetzen suchen, mit dieser Überproduktion an kalorienreichen Backwaren aber leicht darauf sitzen bleiben. Weil diese Gebäcke heutzutage hauptsächlich in Bäckereien hergestellt werden, mögen an dieser Stelle allgemein gehaltene Rezeptangaben belieben:

Zum Teig: Mehl, Butter, Zucker, Milch oder Rahm, Zitronensaft, Grappa.

Zur Füllung: Butter, gehackte oder gemahlene Baumnüsse, Bienenhonig, Paniermehl aus altbackenem Brot, Zitronenschale, Zimt und je nach Belieben Nelken- und Muskatpulver.

Bildlegenden:
"Crèfli" und "Panspezie"
Mittelalterliche Kirche San Nicolao in Giornico
Hölzerner Panspezie-Model

Literatur:
Crèfli e Spampezie, due spezialità leventinesi, Museo Leventinese, Giornico 1993.
Guido Calgari: Tradizioni natalizie di Faido, in: Folklore Svizzero 58/59 (1968-1969).
Internet: Das Kulinarische Erbe der Schweiz,(italienischsprachig).
Div. Autoren: Das Kochbuch aus dem Tessin, Verlag Wolfgang Hölker, Münster 1979.

Back es im Öfelin oder in der Tortenpfann.
Fladen, Kuchen, Fastenwähen und anderes Gebäck

2007. 159 Seiten mit 82 Abbildungen, davon 54 in Farbe. Broschiert.
Fr. 35.– / EUR 24.50
Schwabe Verlag Basel
ISBN 978-3-7965-2383-0

Titel: "Crèfli" und "Panspezie"
Autor: Albert Spycher-Gautschi, Bündnerstr. 26, CH-4055 Basel
Copyright: © by Albert Spycher-Gautschi, Basel
gepostet von Albert Spycher-Gautschi am:
Date: Sat, 2 May 2009 21:49:20 +0200

Alle Beiträge von Albert Spycher-Gautschi

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