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Weihnachtsapfelbaum - Ein Weihnachtsapfelbaum erzählt
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Weihnachtsapfelbaum - Ein Weihnachtsapfelbaum erzählt

Bild 1  -  Château de Ferrette (Schloss Hohenpfirt). Ein Weihnachtsapfelbaum erzählt
Text und Bild: Albert Spycher-Gautschi, Basel. Alle Rechte vorbehalten.

In Sicht- und Augenhöhe mit den Schlossruinen „Hohen-Pfirt“ im elsässich-sundgauischen Grafenstädtchen Ferrette (Pfirt, Bild 1) steht „mein“ Weihnachts- oder St. Niklaus-Apfelbaum inmitten einer Blumenwiese.
Verwildert, von Misteln besetzt, mit Flechten überwuchert und mit bis zur Grasnarbe hinunter ausladender Krone, trotzt er seit Menschengedenken dem oft rauen Klima am Eingang zum Elsässer Jura (Bilder 2-5). Bild 2  -  Von Schmarotzern geplagt – und doch wird der Baum auch im kommenden Jahr Früchte tragen. Der Baum ist allerdings kein Einzelindividuum, vielmehr Glied einer merkwürdigen Vergesellschaftung mit Heckenrosen, einem vor sich hin kümmernden Spitzahorn und einem Wildapfelbaum mit gelblichen, stocksauren Früchtchen ( Bild 6).

Geschichtliche Nachrichten über die Gattung Weihnachtsapfel verlieren sich in Aufzeichnungen des deutschen Naturforschers Johann Sigismund Elsholtz vom Jahr 1684, nach welchen Weihnachtsapfelbäume („Malum Decembria“) selbst „in der Christnacht auch bey grimmigem Froste blühen und zugleich Früchte tragen sollten“. Auf eine Mustersendung hin erhielt Elsholtz von einem „weitberühmten Professoren zu Altdorff“ den Bescheid, dass die ihm übersandten Früchte „unansehnlich, schrumpflicht und kaum so gross als eine Haselnuss“ gewesen waren. Bild 3  -  Misteln – des Weihnachtsapfelbaums Winterschmuck. Der Enzyclopädist Johann Heinrich Zedler griff jene Meldungen auf und verwies zugleich auf ähnlich lautende Beobachtungen aus „Tribur oder Trebur“ am Rhein, in der Grafschaft Katzenellenbogen sowie auf Befunde Fürstlich-Hessisch-Darmstädtischer Ratsherren. Der preussische Gartenbauinspektor Heinrich Ludewig Manger verwies in seinen pomologischen (obstbaukundlichen) Untersuchungen von 1780 die Elsholtz’schen Ausführungen „in das vegetabilische Fabelreich“. Dafür führt Manger unter der Hauptkategorie 117 (CXVII) den roten „Stettiner Apfel“ mit dem Nebennamen „Eiser Apfel“. Die Bezeichnung dieser von Dezember bis April geniessbaren Sorte rühre von der harten Beschaffenheit des Fruchfleisches her, „Wildäpfel“ oder „Wildlinge“ seien der Gattung „saure Holzäpfel“ zuzuordnen. Bild 4  -  Noch wehrt er sich gegen den fortschreitenden Flechtenbefall. Ein 1797 erschienenes Lehrwerk des Pfarrers und Obstbauforschers Johann Ludwig Christ übernahm diese Angaben, rühmte aber die Haltbarkeit des schmackhaften Eiserapfels von Dezember bis August „in vollkommener Güte“. Wohl als Folge der ungesicherten Ursprungsnachweise verbreitete sich der Eiserapfel unter Bezeichnungen wie Roter Jahrapfel, Paradies-, Herz-, Klaus-, Kloster-, Kohl-, Nägelesapfel wie auch als „Roter Krieger“, „Schornsteinfeger“. Bild 5   -  Hagelschäden. Ins Spiel gebracht sein auch ein vom Schweizer Naturforscher Caspar Tobias Zollikofer beschriebener Apfel, der meinen „Weihnachts-„ beziehungsweise St. Niklausäpfeln auffallend gleicht ( Bild 7). Wie Franz Mühl 1995 andeutete, scheint sich der Rote Eiserapfel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts so durchgesetzt zu haben, dass er 1857 vom Deutschen Pomologenverein zum allgemeinen Ausbau empfohlen wurde. Andererseits erklärte Hans Kessler im erstmals 1945 vom Schweizerischen Obstverband herausgegebenen Verzeichnis die Herkunft des Roten Eisers als unbekannt und empfahl, die Sorte „nicht weiter zu vermehren“.

Bild 6  -  Wildlinge. Wie Brigitte Bartha-Pichler ermittelte, gedieh in Süddeuschland schon vor dem 19. Jahrhundert die Sorte „Metzgersuur“, auch als Weihnachtsapfel bekannt und im Elsass „Christkindler“ geheissen. Ob die Waisenvögte der südelsässischen Metropole Mulhouse (Mülhausen) in den Jahrzehnten vor der Französischen Revolution Christkindler-Äpfel verspiesen hatten, wissen wir nicht. Laut den Protokollen über mehr als 500 Mahlzeiten, die sie von 1778-1798 beim Abschluss von Amtsgeschäften zugut hatten, waren es edle Sorten wie „Callville Reinetten“ und „Kutzenmuser“ – letztere eine Sorte, die Theodor Zwinger schon 1696 in seinem „Theatrum botanicum“ aufgeführt hatte. Bild 7  -  Roter Eiserapfel in Zollikofers Pomologischen Studien. Die Autoren des 1993 erschienen Buchs „Pommes d’Alsace et des Vosges“ ergänzten den Begriff „Christkindler“ mit „Pommes Noël“, „Pommes Saint Nicolas“ und priesen den Roten Eiserapfel als „pomme très courante en Alsace“. Als der Verfasser Exemplare aus Pfirt an einer elsässischen Obstbau-Ausstellung zeigte, klappten die Fachleute ihre Bestimmungsbücher zu und erklärten die Muster als Christkind- oder Weihnachtsäpfel ( Bild 8). Laut Schweizerischem Wörterbuch sind diese Namen keine Sortenbezeichnungen, sie benennen lediglich den Verwendungszweck. Auch die vorgelegten Wildäpfelchen galten als nicht bestimmbar.

Bild 8  -  „Christkindler“ an der Obstbau-Ausstellung im Sundgaudorf Fislis. Ob „Metzgersuur“ oder „Eiserapfel“ – kaum hat oberhalb von Pfirt „mein“ Weihnachtsapfelbaum das schmucke Blütenkleid abgelegt, zeigen Wildapfel und Heckenrose ihre Frühlingspracht ( Bild 9). Im Hochsommer ist es still hier oben, bis sich Mitte August die Herbstzeitlosen zeigen. Im Heckenrosengestrüpp reifen die Hagenbuttenfrüchte heran und versprechen einen ordentlichen Beitrag zur selbst gekochten Confiture, hierzulande als „Buttenmost“ oder „Buttenmus“ beliebt ( Bild 10). Die morschen Apfelbaumzweige drohen unter der Last leuchtend roter Früchten zu brechen ( Bild 11). Bild 9  -  Wildling- und Weihnachtsapfelblüten. In den ersten Frostnächten beginnt ein Teil des Behangs ins Gras zu fallen. Die kleinsten Früchte sind kaum mehr als nussgross, die grösseren erreichen die Dimension von Mandarinen. Lediglich von Eingeweihten oder Wanderern beachtet, graben sich viele Äpfel gleichsam ohne zu faulen halbwegs in den Erdboden ein. Noch an Weihnachten lassen sich Exemplare aus dem entlaubten Geäst und den weissen Mistel-Beeren herabschütteln. Selbst im Schnee halten sie sich noch lange frisch und werden zum Winterfutter der Rehe ( Bild 12).

Bild 10   -  Besuch bei den Hagebutten. Gewaschen und mit einem Lappen auf Hochglanz poliert, bereichern „meine“ Weihnachtsäpfel eine Schale mit andern Früchten und Nüssen. Am Vorabend des Advents basteln die Grosskinder unter Omis Anleitung Tischdekorationen aus Weihnachtsäpfeln, in die man Kerzchen steckt und mit Tannreisig unterlegt. Omi selbst garniert mit besonders schönen Äpfeln den Adventkranz, aus dessen Mitte genascht werden darf ( Bild 13). Bild 11   -  Prachtvoller Behang – und doch Fallobst. Die frühesten Quellen zum elsässischen Weihnachtsbrauch beurkunden, dass Christbäume schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Türckheim und Strassburg mit Äpfeln geschmückt wurden. Es müssen kräftige Tannäste gewesen sein, für den Verfasser erwiesen sich selbst kleine Weihnachtsäpfel als zu schwer, doch präsentieren sie sich im Kerzenschein unter dem Baum und um die Krippe herum zauberhaft. Um die Fastnachtszeit herum beginnt jeweils der verbliebene Ernste-Rest schrumpfelig zu werden. Es ist Zeit, als Beilage zur zweimal aufgewärmten Sauerkraut-Schlachtplatte ein Apfelmus zu kochen – ein kulinarisches Gedicht.

Bild 12   -  Nach der Schneeschmelze finden sich immer noch geniessbare Früchte.

Bild 12

Nach der Schneeschmelze finden sich immer noch geniessbare Früchte.

Bild 13   -  Omis Adventkranz.

Bild 13

Omis Adventkranz

Bildlegenden:

  1. Château de Ferrette (Schloss Hohenpfirt).
  2. Von Schmarotzern geplagt – und doch wird der Baum auch im kommenden Jahr Früchte tragen.
  3. Noch wehrt er sich gegen den fortschreitenden Flechtenbefall.
  4. Hagelschäden.
  5. Misteln – des Weihnachtsapfelbaums Winterschmuck.
  6. Wildlinge.
  7. Roter Eiserapfel in Zollikofers Pomologischen Studien.
  8. „Christkindler“ an der Obstbau-Ausstellung im Sundgaudorf Fislis.
  9. Wildling- und Weihnachtsapfelblüten.
  10. Besuch bei den Hagebutten.
  11. Prachtvoller Behang – und doch Fallobst.
  12. Nach der Schneeschmelze finden sich immer noch geniessbare Früchte.
  13. Omis Adventkranz.

Bilder 1-6, 8-13 sowie Reproduktion Bild 7 von Albert Spycher-Gautschi.

Verwendete Literatur (Auswahl):

    Verwendete Literatur (in der Reihenfolge der Zitate):
  • Elsholtz, Johann Sigismund: Vom Gartenbau oder Unterricht von der Gärtnerey, Köln 1684, S. 264.
  • Zedler, Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexikon, Be. 2, Halle/Leipzig 1732, S. 799.
  • Manger, Heinrich Ludewig: Vollständige Anleitung zu einer systematischen Pomologie, Bd. 1, Leipzig 1780, S. 60ff.
  • Christ, Johann Ludwig: Handbuch über die Obstbaumzucht und Obstlehre, 2. Aufl.,Frankfurt a.Main 1797, S. 519.
  • Egger, Simon u. Müller, Urs (Hsg.): Kaspar Tobias Zollikofer 1774-1843 – Pomologische Studien des frühen 19. Jhs, aufgezeichnet in den Jahren 1831-1834, Wädenswil 2005, Tf. 89.
  • Mühl, Franz: Alte und neue Apfelsorten, München 1995, S. 160.
  • Kessler Hans: Apfelsorten der Schweiz, Bern 1947, S. 66.
  • Zwinger, Theodor: Theatrum botanicum, das ist vollkommenes Kräuter-Buch, 1. Buch, Basel 1696, S. 3.
  • Girardin, Philippe u. Ferry Bruno: Pommes d’Alsace et des Vosges, Mulhouse 1993,S. 44, 106.
  • Mantel Kurt: Geschichte des Weihnachtsbaumes und ähnlicher Formen, 2. Aufl., Hannover 1977, S. xxxx
  • Wörterbuch der Schweizerdeutschen Sprache, Bd. 1, Frauenfeld 1881, Sp. 373.

Mit freundlicher Unterstützung von Albert Spycher-Gautschi
Titel: Ein Weihnachtsapfelbaum erzählt
Autor: Albert Spycher-Gautschi
Copyright: © by Albert Spycher-Gautschi
Bilder: Albert Spycher-Gautschi
gepostet von Albert Spycher-Gautschi am:
Date: 03.07.2013 08:07

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